Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl 2020:Die Wahl der Sinne

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Plakate? Natürlich! Womit Kommunalpolitiker aber noch so auf Stimmenfang gehen - ein Überblick

Von veca, aip, zif, sci, cjk und fam

Natürlich sind es vor allem immer noch die Plakate, mit denen die Parteien und Gruppierungen für sich werben - mache gelungen, manche weniger. Vor großen Wahlen werden Kommunalpolitiker aber auch gerne kreativ. Was es dieser Tage in den Straßen und an den Infoständen alles zu bestaunen gibt - die SZ hat sich einmal umgesehen.

1. Sachbeschädigung erwünscht

Die Freie Lokalpolitik Penzberg, kurz FLP, hat einen neuen Weg der Wahlwerbung beschritten. Eine überdimensionale Bank mit den drei Großbuchstaben als Rückenlehne zieht durchs Stadtgebiet. Bekritzelt ist sie auch schon. Wer nun an Sachbeschädigung denkt, irrt. Ausdrücklich erwünscht sind die mal kurzen, mal langen Kommentare. Die Bürger dürfen auf die Bank ihre Wünsche schreiben - halt alles, was Bürgermeisterkandidat Michael Kühberger und seine Mannschaft umsetzen sollen, sollten sie stärkste Kraft im Penzberger Rathaus werden. "Mehr Programme für Kinder", "Stärkung und Ausweitung des Mittelstandes" oder "Radlfahrer brauchen neue Wege" ist unter anderem zu lesen.

Gut hatte es die FLP auch gemeint, als sie an die Bank einen Briefkasten geschraubt hat, seit diese in Maxkron beim alten Pumpwerk steht. Die Bewohner des Ortsteils sollten darin ihre Vorschläge hinterlassen, was mit dem Pumpwerk-Grundstück geschehen soll. Bislang hat niemand einen Brief eingeworfen. Nun ist die Bank erneut in die Innenstadt gezogen. Anschließend soll sie versteigert werden. Natürlich für einen guten Zweck.

2. Menke im Mund

Die SPD hat ihre Wahlwerbegeschenke diesmal möglichst nützlich gestaltet und mit mehr oder weniger witzigen Botschaften versehen. Es gibt Taschentücher mit der Aufschrift: "Nicht weinen, wählen", auf kleinen Sonnencremeproben mit Lichtschutzfaktor 15 mahnt ein Spruch, dass man lieber rot wählen sollte als rot zu werden. Diese Dinge verteilen alle Genossen in Bayern, der Wolfratshauser Bürgermeisterkandidat der Sozialdemokraten hat aber noch ein persönliches Giveaway, das erstaunlich gut zu ihm passt. Manfred Menke hat, das muss man ihm zugestehen, einen besonders eingängigen Namen. Der klingt mit seiner Alliteration und seinem zweimal zweisilbigen Rhythmus im Viervierteltakt wie ein Bürgermeistername aus einer Kinderbuchreihe und wirkt zwar nicht bayerisch, dafür aber bodenständig und vertrauenserweckend. Und Menke hat außerdem das Glück, dass es auch eine sehr beliebte Süßigkeit gibt, die unter dem Doppelkonsonanten seiner Initialen firmiert: M&Ms, kleine, mit bunter Zuckerglasur überzogene Schokoladendragees. Dass die Firma diese neuerdings auch personalisiert anbietet, hat sich der aus dem Sauerland stammende Stadtrat und Lehrer zunutze gemacht. Menke hat die kleinen Dragees in zwei Rottönen bestellt und auf der einen Seite mit dem obligatorischen kleinen m, auf der anderen mit "M Menke BGM" bedrucken lassen. Er verteilt sie in kleinen durchsichtigen Tütchen an potenzielle Wähler, aber auch an seine Kontrahenten, etwa bei der Podiumsdiskussion der SZ. Manfred Menkes M&Ms haben gegenüber anderen Wahlwerbegeschenken einen großen Vorteil: Man muss sie nicht aufwendig entsorgen - man kann sie einfach aufessen.

3. Kerniger Melancholiker

Richtig kalte Tage hat es diesen Winter bisher nicht besonders viele gegeben. Die neu gegründete Wolfratshauser Liste hat aber offenbar einen recht frostigen erwischt. Richard Kugler, ihr Bürgermeisterkandidat und als Spenglermeister eigentlich ein eher kerniger Typ, schaut auf einigen Plakaten jedenfalls ziemlich verschreckt aus. Er steht auf einem schneebedeckten Feld, die tief stehende Abendsonne scheint ihn von der Seite an. Die Jacke ist zwar aufgeknöpft, aber man merkt: So ganz wohl ist ihm nicht. Fast schon ängstlich schaut er in die Kamera.

Man fühlt sich erinnert an Gemälde von Caspar David Friedrich. Einsame Gestalten, die in weiten Landschaften melancholisch in die Ferne blicken. Das strahlt eine gewisse Traurigkeit aus, die auch auf den Wahlplakaten bei Kugler aus den Augen blitzt. Und irgendwie hat das ja auch etwas Sympathisches - ein Politiker mit wahrlich menschlichen Zügen, kein reiner Verwaltungsroboter. Der eiskalte Tag beim Fotoshooting: vielleicht war es ja sogar Absicht.

4. Die Drei vom Lehrerzimmer

Die Drei von der CSU schauen so aus, als wären sie allesamt Lehrkräfte und erzählten sich in der ersten Schulpause gerade einen guten Witz. Jedenfalls lacht Stadtrat Christof Botzenhart mit aufgerissenen Augen und scheinbar so spontan, dass der Fotograf kurz vor der Aufnahme eben diesen Witz erzählt haben muss. René Mühlberger und Marcus Stiegler finden ihn auch lustig, aber nicht ganz so. Auf dem Plakat der Tölzer CSU steht "Begeistert für Bildung. Engagiert für die Stadt". Ein wenig merkwürdig ist nur, dass sich Botzenhart, Initiator des Thomas-Mann-Jahres 2017, nicht auf die vier Bände des Josephsromans abstützt, sondern auf Bücher mit eher trockenem Lehrmaterial zu Businessplänen und zur Mechanik. Immerhin ist Botzenhart als einziger der Drei wirklich Lehrer: Er arbeitet als Studiendirektor am Gymnasium Geretsried.

5. Münsinger Meerjungfrauen

Die neu gegründeten Grünen in Münsing meinen es ernst mit ihren Rathausambitionen. So ernst, dass sie für ein Wahlkampfvideo zu kalter Jahreszeit wie ein paar Meerjungfrauen und Wassermänner sogar in den Starnberger See gestiegen sind - oder besser gesagt: herausgestiegen sind. So sieht es in dem Schwarz-Weiß-Video zumindest aus, das im Internet auf der Homepage des Ortsverbands zu sehen ist. Tatsächlich dürften die Grünen für den Dreh freilich rückwärts in den See gewatschelt sein, so trocken wie sie am Ende dastehen und untermalt von klimpernder Salonmusik freundlich in die Kamera schauen. Steven Spielberg oder James Cameron wären bei so viel trickreicher Regisseurskunst sicher beeindruckt. Nun müssen nur noch auch die Wähler beeindruckt sein.

6. Einfach packend

Der Königsdorfer Bürgermeister Anton Demmel will bekanntlich was reißen: Erst den Posten des Landrates an sich, und dann ganz viel in diesem Amt. Dafür muss in diesen Tagen natürlich ordentlich geklappert werden. Das passende Instrument dafür hat er parat, das fleißig unter potenzielle Wähler gestreut wird: eine Weißwurstzange. Das Servierinstrument ziert eine Brennung von Demmels Konterfei und sein Wahlkampfslogan "Pack mas'", wobei bei dem Geschenk das Apostroph hinter das "mas" gerutscht ist. Das Geschenk hat einen durchaus praktischen Nutzen, muss man nun nicht mehr jedes arme Würstchen mit der Gabel traktieren, und auch die Finger muss sich keiner mehr verbrennen.

Politisch-metaphorisch hingegen ist das Bild ein bisschen schief, denn damit heiße Eisen anzupacken, ist nicht ratsam: Das unbehandelte Buchenholz würde es vermutlich nicht überleben, schließlich ist die Zange nicht einmal spülmaschinengeeignet. Bei der Reinigung muss der Beschenkte also selbst Hand anlegen, was immerhin für eine hemdsärmelige Politik stehen könnte. Wahrscheinlich aber geht es doch einfach nur um das Geklapper, und dazu taugt sie bestens, wie ein paar Besucher einer CSU-Veranstaltung in Egling schnell herausfanden: Sie nutzen sie als Perkussionsinstrument zur Volksmusik. Demmel als Taktgeber, die Assoziation dürfte ihm genauso recht sein.

7. Der lachende Macher

"Bitte recht freundlich!" - das hat er längst drauf: Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller hat in sechs Amtsjahren so oft in eine Kamera gelächelt, da macht ihm keiner mehr was vor. Und nun begegnet man diesem Keep smiling nicht nur allenthalben im Stadtgebiet, sondern auch im aufwenigen Image-Prospekt - und zwar auf 16 Seiten gleich neunmal. Die Motive mögen wechseln - der Bürgermeister mal ganz smart im blauen Sakko, mal leger im Trachtenjanker, mal hemdsärmelig auf Stadtmodell und Zentrumsplan zeigend, dann plötzlich aus einer Gruppe Kühe herausblickend, schließlich privatissimo im gelben Pullover Kaffee trinkend. Nur das Lächeln ist immer dasselbe.

"Müller macht's" ist der kernige Slogan des CSU-Mannes, der sich plakativ nicht zu seiner Partei bekennt - den Schriftzug sucht man jedenfalls auf Deckblättern und Anschlagtafeln vergeblich. Stattdessen: "Unsere Stadt. Unser Bürgermeister." Ein Lächler für alle eben.

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Quelle:
SZ vom 22.02.2020
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