Süddeutsche Zeitung

Bezahlbarer Wohnraum:Penzberg 2.0

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In der Stadt beginnt die Wohnbauoffensive mit den Arbeiten an der "Birkenstraße". Für mindestens 50 Millionen Euro sollen bis zu 170 neue Wohnungen und 27 Häuser entstehen. Es ist nicht das einzige Mammutprojekt, das das Aussehen der Kommune nachhaltig verändern wird.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Es wird wohl eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf werden. Die Schaffung von Wohnraum, der obendrein noch bezahlbar sein soll, ist in Penzberg ebenso dringlich wie in anderen Kommunen im Speckgürtel Münchens. Der Druck ist hoch. Penzberg hat Zuganbindung, einen Autobahnanschluss und verfügt obendrein über eine gute Infrastruktur. All dies schlägt sich mittlerweile in den Quadratmeterpreisen nieder. Die Bodenrichtwerte liegen bei um die 600 Euro pro Quadratmeter Bauland, was allerdings nur ein Mittelwert ist. In Penzberg werden längst 1000 Euro und mehr für den Quadratmeter bezahlt. Der Stadtrat ist sich des Themas bewusst und forciert neue Wohnbebauung auf städtischem Grund. Vor Kurzem erfolgte der Startschuss für das momentan größte Projekt südlich der Wölflstraße.

Lange sah es so aus, als würden auf dem insgesamt 3,6 Hektar großen Areal nichts vorwärtsgehen, nachdem vor zwei Jahren der Wald auf der Fläche gerodet worden war. Im Juli nun starteten die Erschließungsarbeiten für das Baugebiet "Birkenstraße West". Sie werden voraussichtlich erst Ende Juni 2020 abgeschlossen sein. Acht Millionen Euro sind für Kanäle, diverse Leitungen und den Straßenbau veranschlagt.

Das Baugebiet "Birkenstraße" ist ein Mammutprojekt, in das die Stadt Penzberg laut Bürgermeisterin Elke Zehetner (SPD) insgesamt 50 Millionen Euro plus x investieren wird. Das Grundstück wird in zwei Bauabschnitten erschlossen.

Bezahlbar soll das "Wohnen im Quartier" an der Ecke Wölfl-/Birkenstraße werden, für das die Stadt selbst verantwortlich zeichnet. Rund 32 Millionen Euro sind für die Hochbaumaßnahmen veranschlagt. Dort sollen mindestens 150 Wohnungen entstehen - überwiegend mit zwei und drei Zimmern. Laut Stadtbaumeister Justus Klement könnten es auch 170 werden. Entscheiden wird sich die Anzahl, wenn im Oktober die beauftragten Architekten ihre Pläne im Rathaus vorlegen. Erst dann wird sich auch herausstellen, wie hoch die Förderung der Regierung von Oberbayern für das Vorhaben sein wird. 1,4 Hektar ist dieser erste Abschnitt groß. An den beiden Straßen entlang sollen terrassenförmig angelegte Wohnkomplexe mit freiem Blick auf die Berge entstehen - komplett autofrei. Die Wohnblöcke sind lediglich durch Wege verbunden. Fahrzeuge werden in eine große Tiefgarage verbannt. Im übrigen Bereich sind 27 Häuser unterschiedlichen Zuschnitts vorgesehen. Neun Reihenhäuser und zwei Doppelhäuser im Westen des Grundstücks werden im Einheimischenmodell errichtet. Sie sind alle bereits vergeben. Es folgen weitere 16 Doppel- und Einfamilienhäuser. Diese Grundstücke sollen 2020 auf dem freien Immobilienmarkt angeboten werden, um die Investitionen der Stadt zum Teil zu refinanzieren.

Allein dieses Projekt wird nicht ausreichen, die Nachfrage in Penzberg für einige Zeit zu decken. 2018 hatte die SPD-Fraktion im Stadtrat einen Antrag gestellt mit dem Titel "Wohnbau-Offensive 2020". Ziel des Antrags ist es, möglichst viel bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Verwaltung wird darin beauftragt, geeignete städtische Grundstücke ausfindig zu machen. Mittelfristig schwebt der SPD die Entwicklung des ehemaligen Molkerei-Geländes an der Christianstraße vor, oder ein neues Baugebiet zwischen den Ortsteilen Reindl und Heinz nahe dem Daserweg. Als kurzfristig umsetzbares Projekt favorisieren die Sozialdemokraten eine Neubebauung auf dem Areal des alten Schlachthofs an der Karlstraße. 2018 hatte die CSU den Antrag gestellt, den Schlachthof abzureißen und in der Zwischenzeit, bis feststeht, was mit dem Areal passiert, als Parkplatz zu nutzen. Ausgelöst durch diese Diskussion skizzierte Stadtbaumeister Klement den Stadträten, wie eine Bebauung an der Karlstraße aussehen könnte: In Fortführung des Gebäudes an der Sigmundstraße könnte er sich einen viergeschossigen Komplex mit Dachgeschoss und ein zweigeschossiges Rückgebäude zum Säubach hin vorstellen. Die Bruttogeschossflächenzahl würde bei etwa 5500 Quadratmetern liegen.

Nach Klements Präsentation wurden bereits erste kritische Stimmen im Gremium laut. Keinesfalls wolle man, dass man künftig in Penzberg nur noch durch Betonhäuserschluchten fahre, sagte etwa Hardi Lenk (SPD). Denn auf dem Grundstück gegenüber des alten Schlachthofs, genauer: in der Kurve, wo die Bichler Straße in die Karlstraße übergeht, ist ein privates Bauvorhaben im Gespräch, das die Optik an dieser Stelle grundlegend verändern wird. Anstelle des Einfamilienhauses samt Werkstatt und Nebengebäuden sollen laut Baugesuch ein dreigeschossiges Wohnhaus zur Karlstraße hin und ein viergeschossiges Gebäude am Säubach mit Tiefgarage entstehen. Bis zu 15 barrierefreie Wohnungen sollen realisiert werden.

Das ist nur eines von vielen privaten Wohnbauprojekten, die über kurz oder lang das Aussehen der Stadt nachhaltig verändern werden. Besonders im Ortsteil Steigenberg, der in weiten Teilen von kleinen Einfamilienhäusern mit großen Gärten geprägt ist, gibt es Begehrlichkeiten. Kürzlich hat der Bauausschuss des Stadtrats nicht öffentlich den Tagesordnungspunkt "Bautypologien im Stadtteil Steigenberg: Grundsatzbeschluss" behandelt.

Ebenfalls in Penzberg tätig ist die Wohnbau Weilheim GmbH. Sie erwägt, das Mietshaus an der Karlstraße 32 zu sanieren oder umzubauen. Im Jahr 2020 sollen die Planungen starten. 1603 Wohnungen besitzt das Unternehmen, an dem auch die Stadt Penzberg beteiligt ist. 374 davon befinden sich in Penzberg. Neu hinzu kommen 23 Wohnungen an der Gustavstraße. Dieses Projekt kostete die Gesellschaft Wohnbau Weilheim rund 6,6 Millionen Euro. Die Appartements sind begehrt, es gibt eine lange Warteliste. Allein in Penzberg stehen etwa 300 Namen auf dieser Liste, in der Kreisstadt Weilheim rund 900.

Doch zu denken, allein in großer Anzahl Wohnungen zu schaffen, wäre das Ei des Kolumbus, springt zu kurz. Die massiven Bautätigkeiten ziehen einen Rattenschwanz an Infrastrukturmaßnahmen nach sich. Kindertagesstätten, Schulen, Straßen, Ausbau des Kanalsystems, Kläranlage - all dies müssen die Stadt und ihre Bürger stemmen. Eine Aussprache, wohin die Entwicklung Penzbergs gehen solle und wie viel Wachstum noch verträglich sei, blieb im Stadtrat aus. Deutliche Worte fand Markus Bocksberger (parteifrei) in der Juni-Sitzung des Gremiums. "Wir brauchen für unsere Stadt mehr langfristig angelegte Strategien, die nicht nur den Bedarf von heute, sondern vielmehr auch den Bedarf der Zukunft im Auge haben", betonte er. Folgende Fragen müsste sich der Stadtrat gemeinsam mit der Verwaltung stellen unter anderem "Wie groß soll Penzberg werden?" und "Wo soll es wachsen?". Er möchte nicht, dass der Stadtrat 2030 über Container-Einrichtungen diskutieren müsse, "nur weil wir hier uns heute diese Fragen nicht gestellt oder dazu keine Antworten gefunden haben".

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SZ vom 12.08.2019
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