Süddeutsche Zeitung

Landschaftsschutz:Brandbrief fürs Bayernidyll

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Ein offenes Schreiben von Umweltverbänden warnt vor den Gefahren landwirtschaftlicher Großbetriebe in der Region. Die Verfasser fordern bessere Förderprogramme für Kleinbauern und appellieren auch an die Verbraucher und ihr Konsumverhalten.

Von Marie Heßlinger, Bad Töz-Wolfratshausen

Sommerwiesen, hohes Gras, dazwischen wilde Blumen, Insekten, Kräuter, Moorland; und kleine Bauernbetriebe, seit Generationen in Familienhand. Dieses Idyll prägt das Heimatgefühl vieler Menschen in Bayern, lockt Touristen in das Oberland im Süden Münchens. Doch es zerfällt. Ein offener Brief verschiedener Umweltverbände warnt nun vor den Konsequenzen - und schlägt konkrete Handlungsschritte vor.

Weg von Großbetrieben und Gewinnmaximierung, zurück zur kleineren Landwirtschaft, das ist das Credo, das unter anderem Vertreter des Bund Naturschutz, des Landesbund für Vogelschutz, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der ÖDP im Landkreis Anfang Juli unterzeichnet haben. Denn Wasserqualität, Landschaft, Klima und Artenvielfalt litten unter intensivem Güllen und Mähen, Großstallungen sowie dem Einsatz schwerer Maschinen, heißt es in dem Papier.

Das Problem beginnt schon bei den Tierrassen selbst und bei der Beschaffung ihres Futters. Gezüchte Hochleistungsrinder bekommen oft Kraftfutter aus dem Ausland, nicht selten mit gentechnisch verändertem Getreide, so die Verfasser des Briefes. Die Ernährungssouveränität der Einfuhrländer des Futters gerate dadurch in Gefahr. Der Transport des Futters verursacht CO₂, die Zuchttiere fressen mehr als andere, sie hinterlassen mehr Methan in der Luft und Gülle in der Erde. In der Folge wachsen nur noch wenige Grassorten. Nitratwerte im Wasser steigen.

Die Verfasser des Briefes sehen einen Ansatzpunkt zum einen in der aktuellen Gesetzeslage. Damit ein Betrieb seinen Rinderbestand erhöhen oder privilegierte landwirtschaftliche Gebäude errichten darf, müssen nur 51 Prozent des Futters aus eigenen Flächen kommen, der Rest darf importiert werden. Gleichzeitig muss die Gülle zu 100 Prozent auf den eigenen Flächen verteilt werden. Agrarsubventionen sollten stattdessen nur an ressourcenschonende Landwirte vergeben werden, die höchstens zwei Rinder pro Hektar halten, fordern die Umweltschützer.

Auch sollten kleinere Betriebe im Vergleich zu Großbetrieben steuerlich entlastet werden und von Förderprogrammen profitieren können, schlagen die Verbandsvertreter vor. Aktuell werden 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fördergelder, ein Fünftel des gesamten EU-Haushalts, rein nach Fläche eines Betriebs ausbezahlt. "Da 50 Prozent der Fläche in der Hand von nur drei Prozent aller Betriebe liegen, profitieren hauptsächlich wenige Großbetriebe von diesen Geldern", heißt es in dem Schreiben. Deren Großmaschinen jedoch verdichteten die Böden, Feldraine würden abgemäht. Darunter litten wiederum die Bodenfruchtbarkeit und die Artenvielfalt.

Es sollten deshalb maximale Bodendrücke festgeschrieben werden, fordern die Umweltverbände, sodass die Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen zur Entwicklung umweltfreundlicherer Technik veranlasst würden.

Durch Flächenfraß und Siedlungsdruck seien Bauern zudem gezwungen, die ihnen verbleibenden Böden umso intensiver zu nutzen. Ein Verbot der Anbindehaltung habe viele außerdem veranlasst, riesige Laufställe zu bauen und den Tieren keine Gänge auf die Weiden mehr zu ermöglichen. Auch hier sei politisches Umdenken gefordert, erklären die Umweltverbände.

Daneben nennen die Verfasser des Briefes einige Maßnahmen, die Nicht-Politiker ergreifen können, um die Bedingungen zu verbessern. Sie könnten etwa Lebensmittel-Vertriebsgemeinschaften zwischen Bauern, Metzgereien, Händlern und Gastwirten fördern oder direkt zwischen Bauern und Konsumenten. Dies bewirke feste Abnahmemengen und Preise. "Dadurch entfällt der Zwang zum ständigen Wachstum der Landwirtschaft, die Qualität der Lebensmittel wird gesteigert", schreiben die Umweltschützer.

Gleich zu Beginn ihres Briefes wenden sie sich an die Verbraucher selbst: "Kauft regionale und Bio-Produkte extensiv wirtschaftender Betriebe", schreiben sie. "Wir alle sind Verbraucher, lasst es uns jeden Tag wieder bewusst machen, dass ein Einkauf von Billiglebensmitteln Tiere, Böden und Landschaft dauerhaft schädigt!"

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Quelle:
SZ vom 29.07.2020
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