Süddeutsche Zeitung

Verurteilter Wiesnwirt:Krätz muss um Waldwirtschaft bangen

Lesezeit: 3 min

Er wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt, die Stadt will ihn von der Wiesn werfen. Jetzt muss sich Sepp Krätz auch noch um seine Waldwirtschaft in Großhesselohe sorgen. Der Landkreis München hat ein Verfahren eingeleitet.

Von Christian Rost

Es sind harte Tage für den Erfolgsgastronomen Sepp Krätz. Vorige Woche verurteilte ihn das Münchner Landgericht wegen Steuerhinterziehung, jetzt will ihm nicht nur die Landeshauptstadt seine Konzession für das Lokal Andechser am Dom nehmen und ihn mit seinem Hippodrom von der Wiesn werfen. Auch der Landkreis München hat ein Verfahren gegen Sepp Krätz eingeleitet, wie das Landratsamt bestätigte. Es wird geprüft, ob ihm die Schankerlaubnis für die Waldwirtschaft in Großhesselohe entzogen wird.

Sepp Krätz muss zusehen, wie sein kleines Gastroimperium zerbricht. Seit der frühen Jugend arbeitete er auf den Erfolg hin. Er wuchs auf einem Bauernhof bei Augsburg auf und begann mit 13 Jahren eine Metzgerlehre. Mit 20 war er Meister und arbeitete als Metzger und Schankkellner erst im Hofbräukeller und dann im Hirschgarten. 1982 übernahm er mit seiner damaligen Frau die Waldwirtschaft am Isarhochufer und machte sie zur Freude des Verpächters, der Spaten-Brauerei, mit Jazz im Biergarten weithin bekannt. Er sei eben "ein typischer Gastronom", so der 59-Jährige in seiner Vernehmung vor Gericht. Sein Erfolgsrezept: "Immer nah am Gast."

Der Lohn der Arbeit kam, als er 40 Jahre alt war. Der frühere Prior des Klosters Andechs, Anselm Bilgri, bot Krätz den Andechser am Dom an. Eine sichere Bank ist ein Gasthaus in solch einer Lage, wo der Touristenstrom von früh bis spät nicht abreißt. Im selben Jahr, 1994, kam Vinzenzmurr-Chefin Evi Brandl auf ihn zu und fragte ihn, ob er das Hippodrom haben wolle. "Ich wusste nicht, ob ich's zahlen kann", erinnerte sich Krätz. Ein Kredit half ihm dabei. Im Jahr darauf bestritt er als Wirt sein erstes Oktoberfest. "Ein hartes G'schäft", sei das gewesen, die ersten Jahre habe er Verluste gemacht. Das Hippodrom hatte einen "schlechten Ruf", so Krätz, den es erst wettzumachen galt.

Auch hier war er immer nah am Gast: Mit weit ausgebreiteten Armen - oft war er in dieser Pose auf Wiesn-Fotos zu sehen - und Champagner in Magnumflaschen machte er aus dem Zelt ein Gaudium für ein gehobeneres Publikum. Das Hippodrom entwickelte sich prächtig: 3,1 Millionen Euro vor Steuern brachte es dem Wirt voriges Jahr ein. Das Geld investierte er zum Teil in Immobilien. In Dresden zum Beispiel gehört ihm ein Biergarten, in Starnberg ein Geschäftshaus. Über den Erfolg ist Krätz "ein bissl leichtsinnig" geworden, wie er es selbst formulierte, oder "kriminell", wie die Staatsanwältin Andrea Wagner es ausdrückte: Von 2005 bis 2011 hinterzog er Steuern in Höhe von 1,1 Millionen Euro.

Die Verantwortung übernehme er natürlich dafür, sagte Krätz und meinte damit die schwarzen Kassen im Andechser am Dom und im Hippodrom. In seinem Innenstadtlokal wurden Bierfässer an der Buchhaltung vorbei im Freischank angezapft. Und an der Champagnerbar im Hippodrom floss die Hälfte der Einnahmen in eine Kasse, von der das Finanzamt nichts wusste. Er selbst habe sich um Zahlen nie gekümmert, das hätten seine Mitarbeiter erledigt, so Krätz. "Ich habe ja nie eine kaufmännische Ausbildung gemacht." Aus den schwarzen Kassen bedient hat er sich aber schon, wie sich im Prozess zeigte. Die Vorsitzende Richterin Jutta Zeilinger präsentierte Krätz einen Zettel, auf dem eine Angestellte des Andechser eine Geldentnahme aus der Kasse notiert hatte: "500 Euro für den Chef, zum Spaß."

2010 war der Spaß vorbei. Damals hatte Krätz zunächst ein Verfahren wegen Körperverletzung am Hals, weil er im Hippodrom einen bummelnden Reinigungsmann getreten hatte. In jenem Jahr ging beim Finanzamt auch die anonyme Anzeige gegen den Wirt ein, was ihm nun eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und 570 000 Euro Geldstrafe einbrachte. Schon nach seinen groben Tritten hatte die Stadt Krätz als Wiesnwirt auf Bewährung gesetzt. Die Steuerhinterziehung brachte das Fass zum Überlaufen.

Verpächter haben sich noch nicht entschieden

Dass ihm neben der Stadt auch der Landkreis die Gaststättenkonzession nehmen will, ist für Krätz bitter, für die Behörden aber nur konsequent, wenn sich ein Wirt als nicht mehr zuverlässig erweist. 1,5 Millionen Euro im Jahr verdiente er zuletzt mit seinen Betrieben. Ein herber Verlust wäre es, wenn er neben dem Hippodrom auch noch den Andechser und die Waldwirtschaft verlöre. Seine Verpächter haben angeblich noch nicht entschieden, wie es weitergehen soll. Andechser-Sprecher Martin Glaab will "keine Schnellschüsse. Wir sind uns der Bedeutung des Andechser am Dom aber sehr wohl bewusst."

Bleibt noch Plan B als letzter möglicher Ausweg: Beim Kreisverwaltungsreferat hat Krätz angeblich schon ausgelotet, ob nicht jemand aus seiner Familie für ihn als Wirt einspringen könnte. Eine Tochter führt bereits die Waldwirtschaft, die andere arbeitet in Krätz' Münchner Büro. Die Stadt kann den 24 und 25 Jahre alten Töchtern nicht verbieten, die Rolle des Vaters zu übernehmen. Krätz darf aber nicht mehr mitmischen im Gastrogeschäft, auch nicht im Hintergrund. Darauf will das KVR peinlich genau achten, sagte dessen Chef Wilfried Blume-Beyerle: "Wir sind ja nicht dumm."

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Quelle:
SZ vom 01.04.2014
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