Süddeutsche Zeitung

Versuch an Schulen:Handy-Verbot wird gelockert: Schüler sollen mitreden dürfen

Lesezeit: 3 min

Von Jakob Wetzel

Leicht hat sich die Schule die Entscheidung nicht gemacht. Auch die Lehrerinnen und Lehrer hätten kontrovers miteinander diskutiert, sagt Johannes von der Forst, der zuständige Mitarbeiter im Direktorat des Michaeli-Gymnasiums. Können Handys nicht süchtig machen? Und kleben die Schüler nicht sowieso zu viel an ihren Smartphones? Aber soll die Schule deshalb eine Realität ausblenden, die längst das Leben der Jugendlichen prägt? Soll sie an einem Verbot festhalten, das die Schüler nicht verstehen, oder soll sie lieber versuchen, die jungen Menschen zu eigenverantwortlichem Handeln zu erziehen? Am Ende haben sich die liberaleren Stimmen durchgesetzt. Lehrer, Eltern und Schüler haben beschlossen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Einstimmig fiel die Entscheidung aber nicht.

Das Michaeli-Gymnasium in Berg am Laim will noch in diesem Schuljahr das gesetzlich vorgeschriebene Handy-Verbot lockern. Die Schüler sollen in dieser Frage künftig mitreden. Möglich ist das, weil der Freistaat zu einem Schulversuch aufgerufen hat. Eigentlich müssen Schüler ihre Smartphones auf dem Schulgelände stets ausgeschaltet lassen, außer die Geräte werden zu Unterrichtszwecken benutzt - so verlangt es das Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Doch Lehrer- und Elternverbände fordern seit Langem, dieses Verbot zu überdenken, Schüler sowieso: Die Schulen sollten mehr selber entscheiden dürfen. Im April sprachen sich Teilnehmer eines Runden Tischs im Kultusministerium mehrheitlich für eine Lockerung aus, jetzt wird es konkret. 135 weiterführende Schulen in Bayern dürfen das Gesetz zwei Jahre lang ignorieren und stattdessen eigene Regeln einführen; danach wird ausgewertet. In München nehmen drei Schulen an diesem Versuch teil.

Eine davon ist das Michaeli-Gymnasium mit seinen etwa 1300 Schülern. Hier ist das gesetzliche Verbot bislang konsequent umgesetzt worden. Wenn Schüler klagten, sie müssten jetzt dringend daheim anrufen, dann schickten sie die Lehrer zum Telefonieren ins Sekretariat.

Eingesehen hätten die Schüler diese strikte Handhabe aber nicht, berichtet von der Forst. Dass sie ihre Handys nicht während des Unterrichts privat benutzen dürfen, das schon, und daran hielten sie sich auch. An der Schule gebe es kaum Verweise, weil Schüler heimlich unter der Bank mit dem Smartphone hantieren, "und diese disziplinarischen Dinge haben wir schon ganz gut im Blick". Aber dass sie ihre Geräte auch in den Pausen nicht verwenden durften, sei kaum zu vermitteln, sagt von der Forst. Und wenn die Schüler ein Verbot nicht verstünden, dann fänden sie auch Wege, es zu umgehen - so hätten Schüler in den schulinternen Diskussionen argumentiert. Welcher Lehrer könne und wolle schon kontrollieren, ob ein Schüler auf der Toilette sein Handy einschaltet?

Welche Regeln künftig gelten werden, weiß die Schulleitung noch nicht. Schließlich sollen die Schüler mitwirken. Für das Gymnasium ist das ein Teil ihrer Erziehung zur Demokratie. Bis zum Halbjahr sollen Lehrer und Schüler gemeinsam ein neues Regelwerk erarbeitet haben: Die Klassensprecher reden mit; es gibt eine sogenannte Steuergruppe mit Lehrern und Schülern; am Ende soll alles vom Schulforum, also wiederum von Lehrern, Schülern und Eltern, abgesegnet werden. Eine solche von allen gefasste Schulvereinbarung sei überzeugender als eine Verordnung aus dem Direktorat, sagt von der Forst, der den ganzen Prozess koordiniert: "Den Schülern fällt es leichter, sich daran zu halten, weil sich ja alle darauf verständigt haben." Und das Gymnasium habe damit bereits gute Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel gebe es eine Vereinbarung zum Alkoholkonsum auf Klassenfahrten, die komme einem fast vollständigen Verbot gleich.

Auch bei den Handys soll es nach dem Willen der Schulleitung nicht allzu freizügig zugehen. "Das Ergebnis wird keinesfalls sein, dass die Schüler ihre Handys in allen unterrichtsfreien Zeiten und in allen Räumen nutzen dürfen", sagt von der Forst. Die neuen Regeln sollten vielmehr nicht nur Ort und Zeit der Handynutzung einschränken, sondern auch klären, wozu und wie die Geräte benutzt werden. Der Datenschutz muss gewährleistet sein. Und die Schule hofft, mit den Regeln auch Cybermobbing eindämmen zu können.

Im Idealfall entstünden dabei auch neue Ideen, wie man Handys im Unterricht verwenden kann, hofft von der Forst. Dort seien die Geräte der Schüler ja längst im Einsatz. Er selbst habe kürzlich eine zehnte Klasse im Geschichtsunterricht online nach Definitionen suchen lassen. Dabei könnten die Schüler zum Beispiel lernen, die Vertrauenswürdigkeit verschiedener Internetseiten einzuschätzen. Allerdings ließen wegen des Verbots bislang viele Schüler ihre Handys daheim. Mit neuen Regeln würden sie ihre Geräte künftig vielleicht doch mitbringen - und damit eröffneten sich eventuell neue Möglichkeiten im Unterricht, sagt von der Forst. "Und wenn wir merken, dass sich das nicht bewährt, dann müssen wir das Konzept eben wieder verändern."

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SZ vom 15.09.2018
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