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Verkehrserziehung:Mit der "Promille-Brille" nicht auf die Straße!

Lesezeit: 2 min

Von Andreas Schubert

Die Rausch-Brille macht schon irgendwie Spaß: Wer sie aufhat, sieht angeblich so schlecht wie mit einem Blutalkoholwert von 0,8 Promille. Und da ist alles ganz schön verzerrt: Einen mit Verkehrshütchen abgesteckten Parcours zu durchlaufen, ohne eines der Hütchen umzuwerfen, ist so gut wie unmöglich. Auch einen Ball zu fangen, mag nicht mehr so recht gelingen. Und auf einem schmalen Brett ein paar Meter zu gehen, klappt überhaupt nicht mehr. Die Brille macht schwindlig - und weil der simulierte Rausch quasi ad hoc kommt und nicht langsam durch Alkoholgenuss, ist die Wirkung umso drastischer. Selbst sich die Schnürsenkel zu binden, wird dann schon mal zur Herausforderung.

Die Promille-Brille nutzt die ADAC-Stiftung zur Verkehrserziehung von Jugendlichen. Sie soll zeigen, welche Folgen Alkoholkonsum für die Verkehrstauglichkeit hat. Diese Woche hat die Stiftung mit ihrer "Verkehrswelt" ihre Zelte vor dem MVG-Museum in Ramersdorf aufgeschlagen, um Schulklassen auf die Gefahren im Straßenverkehr vorzubereiten, Hauptzielgruppe sind die 14- bis 17-Jährigen.

Vier Zelte sind es, in denen sich die Schüler mit typischen Situationen auf der Straße auseinandersetzen können. Die Stationen sind jeweils interaktiv, eine davon schildert die Gefahren, die durch Ablenkung entstehen, etwa durch das Smartphone. In einem Film, bei dem man sich wie in einem Computerspiel für verschiedene Lösungen entscheiden kann, ist zu sehen, wie schnell man ein Auto übersieht, wenn man auf das Handydisplay starrt, gleichzeitig laute Musik über die Kopfhörer hört und trotzdem über die Straße geht.

Laut einer Studie des ADAC ist jeder zehnte tödliche Unfall auf Ablenkung zurückzuführen. 2016 gab es in Deutschland mehr als 300 solcher Unfälle.

Lebensgefahr besteht auch für Radfahrer, die an Kreuzungen von nach rechts abbiegenden Autos und Lastwagen übersehen werden. So hat der ADAC in der Verkehrswelt auch ein Modell eines Lieferwagens und einen echten Lastwagen aufgestellt, um den sogenannten toten Winkel im Rückspiegel zu demonstrieren. Hier geht es unter anderem auch darum, als Fußgänger oder Radler eine mögliche Gefahr zu erkennen und einzuschätzen, wann es potenziell klüger ist, auch mal auf seine Vorfahrt zu verzichten.

Das Programm ist an die neuen Lebenswelten angepasst

In einem Fahrsimulator mit Virtual-Reality-Brillen schließlich können die Jugendlichen üben, wie Mopedfahrer mit verschiedenen Verkehrssituationen und Wetterlagen umgehen sollten, ein virtueller Fahrlehrer ermahnt beispielsweise seinen Schüler, wenn er auf regennasser Fahrbahn zu schnell unterwegs ist.

Der ADAC baut seine Verkehrswelt dieses Jahr in zwölf deutschen Städten auf. Ziel des Ganzen ist, Heranwachsende für die Herausforderungen im Straßenverkehr zu sensibilisieren. Und das soll auch noch Spaß machen. Spiele, Selbstversuche und Quizrunden sollen bei Jugendlichen die Bereitschaft wecken, den Straßenverkehr aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Die Idee dahinter: Was die Sinne begeistert, stößt auch auf Interesse - und zeigt nachhaltig Wirkung.

Die ADAC-Stiftung hat ihre Verkehrswelt, die seit 2013 auf Tour ist, komplett neu gestaltet und den heutigen Lebenswelten Jugendlicher angepasst. Gerade das Problem mit der Ablenkung durch Smartphones hat erst in den vergangenen paar Jahren deutlich zugenommen. In München nehmen 15 Schulen an den jeweils gut zwei Stunden dauernden Runden teil, die noch bis Donnerstag in München gastiert und damit auch schon ausgebucht ist, bevor es nach Erfurt weitergeht.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2018
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