Süddeutsche Zeitung

Trinkkultur:Es lebe das Rüscherl!

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Auch die Goaßnmass oder das Flügerl sind Getränke, die es heute in München fast nur noch in den Kneipen von Amateur-Fußballvereinen gibt. Ein Weckruf.

Kolumne von Florian Fuchs

Ron Abuelo, Pisco Quebranta, PX Sherry, Ananas, Kokos, Salz und Eiweiß. Das Zephyr hat inzwischen einen Drink im Angebot, der Panama Papers heißt, und auch das ist natürlich toll: Dass Cocktails heute nicht mehr Swimming Pool gerufen werden und mit Zuckerrand daherkommen, sondern auf Namen wie Turtle Toe oder Laser Boy getauft sind.

Wahrscheinlich sollen sie auf diese Weise so etwas wie eine Persönlichkeit bekommen, wobei schon wieder unklar ist, was den Charakter dann tatsächlich ausmacht, weil sich die Liste der Zutaten eher kryptisch liest: Das Pandanblatt im Laser Boy zum Beispiel muss man erst googeln, die bestimmt gut gemeinte Einordnung eines Botanikers hilft dann aber auch nicht weiter: "Pflanzenart aus der Gattung der Schraubenbäume in der Familie der Schraubenbaumgewächse". Kann man mal trinken.

Insgesamt war die Welt früher übersichtlicher, das kennt man ja, und warum sollte das bei den Getränken anders sein. Die Laternenmass etwa ist ganz ohne Nelkenrauch und geröstete Mandeln ausgekommen, einen Fetzenrausch hat sie trotzdem gebracht. Das Rüscherl mit Cola und Weinbrand ist ein Getränk, das in den Achtzigerjahren eine ganze Generation geprägt hat, ähnlich übrigens wie später das Flügerl, eine Mischung aus einem Energy Drink und rotem Wodka. Vor ein paar Jahren bot das Café Mozart am Sendlinger Tor noch ein Herrengedeck an, ein Bier, ein Kurzer und ein Zigarillo, heute gibt es dort Lychee-Bionade und Digestifs. Man muss das neue Baadereck in der Isarvorstadt loben, dort haben sie die Goaßnmass auf die Karte gesetzt, die sich üblicherweise aus dunklem Bier oder dunklem Weißbier, Cola und einem Schnapsglas voll Kirschlikör oder Cognac zusammensetzt.

In einer Stadt wie München ist das natürliche Habitat all dieser Getränke eigentlich nur noch die Wirtschaft des ein oder anderen Amateur-Fußballvereins, und das ist schade. Die Trinkkultur ganzer Generationen droht auszusterben, da muss doch irgendeine Behörde zuständig sein, um diesem Trend entgegen zu wirken. Um die Alte Akademie in der Fußgängerzone zanken sich die Denkmalschützer schließlich auch. Tanqueray Gin mit Salbei und gesalzenen Amarettini ist ein großer Gewinn für die Geschmacksnerven gestresster Großstädter, aber die müssen ja auch mal geerdet werden. Ab und an ein Schluck aus einer Laternenmass mit Bier und Zitronenlimo und einem in den Krug gestellten Schnapsglas mit Kirschlikör tut da Wunder.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2017
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