Süddeutsche Zeitung

Kreativquartier am Leonrodplatz:Fertigstellung der Tonnenhalle verzögert sich massiv

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Die 1926 errichtete Halle im Kreativquartier soll Aufführungsort für die freie Theaterszene werden. Doch die Bausubstanz ist belastet, die Sanierung dürfte nun bis ins Jahr 2028 dauern. Das Baureferat spricht von einem "extrem ungewöhnlichen Schadensbild".

Von Ellen Draxel

Schon vor zwei Jahren war dieses Renommierprojekt verschoben worden, doch nun ist klar, dass sich die Sanierung und Inbetriebnahme der denkmalgeschützten Tonnenhalle im Kreativquartier ein weiteres Mal verschieben wird - eine Eröffnung ist nun nicht vor 2028 in Sicht. Denn bei Instandsetzungsarbeiten am Betontragwerk der Halle haben die Experten weitere Schäden an der Bausubstanz entdeckt: Tragende Bauteile sind durch eine Nitratbelastung massiv angegriffen.

Im städtischen Baureferat spricht man von einem "extrem ungewöhnlichen Schadensbild" und hat inzwischen ein Sanierungskonzept erarbeitet, das die Erhaltung der denkmalgeschützten Bauwerkssubstanz sicherstellen soll. Im Gegensatz zu den häufig auftretenden Chlorid-Belastungen - wie etwa in Tiefgaragen durch Streusalz, bei denen dann der Betonstahl rostet - macht Nitrat die Bewehrung, also die Verstärkung von Bauteilen zur Erhöhung der Tragfähigkeit, spröde. Dies habe zur Folge, so Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer, dass der Bewehrungsstahl an einzelnen Stellen ohne Vorankündigung brechen könne. Das Schadensbild sei von außen nicht erkennbar, als einzig bekannten Vergleichsfall nennt die Behörde das alte Elefantenhaus im Tierpark Hellabrunn. Dessen Betonbauteile mussten inklusive der historischen Eisenbetonkuppel sogar komplett abgebrochen werden.

Für die Baureferentin ist die Generalinstandsetzung der Tonnen- und der benachbarten Jutierhalle "eines der wichtigsten laufenden kulturpolitischen Bauprojekte der Landeshauptstadt München". Nicht von ungefähr hatte das Baureferat für die Sanierung der beiden Industriedenkmäler rund 128 Millionen Euro angesetzt - da waren die neuen Schäden allerdings noch nicht einkalkuliert. In der Behörde geht man aber davon aus, dass die Kosten für die zusätzlichen Maßnahmen durch die Risikoreserve gedeckt sind.

Nach Feststellung der Schädigungen im Tragwerk der 106 Meter langen und 20 Meter breiten Tonnenhalle hat das Baureferat das Ingenieurbüro hinzugezogen, das auch beim Elefantenhaus in Hellabrunn tätig war. Die Fachleute planen, zusätzlichen Stahl in den Beton einzubringen beziehungsweise schadhafte Bewehrungsteile ganz auszutauschen. Außerdem sollen unter anderem Zugbänder ersetzt oder ausgetauscht sowie neue Fundamente und Stützen errichtet werden. Der Baubeginn in der Tonnenhalle wird sich deshalb voraussichtlich bis September 2024 verschieben. Erst im April 2025 kann dann der reguläre Rohbau und Ausbau starten, mit der Fertigstellung der Tonnenhalle wird nicht vor April 2028 gerechnet - 20 Monate später als bisher vorgesehen.

Bei der Jutierhalle hingegen läuft alles weiter nach Plan, dort hat man keine Nitratbelastung festgestellt. Auch die Spielflächen zwischen den beiden Hallen können voraussichtlich mit Fertigstellung der Jutierhalle in Betrieb genommen werden. Der unerwartete Schaden hat auch keine Auswirkungen auf die Tiefgarage und die Erstellung der öffentlichen Grünfläche.

Die beiden 1926 errichteten Hallen sind das Herz des neuen Kreativquartiers am Leonrodplatz. Auf dem ehemaligen, 20 Hektar großen Kasernengelände zwischen Dachauer, Schwere-Reiter-, Heß- und Lothstraße in Schwabing und Neuhausen entstehen neben einer Grundschule Wohnungen, dazu Veranstaltungsstätten, ein Gründer- und Innovationszentrum für technologieorientierte Firmen sowie Kunst und Kulturräume.

Die Tonnenhalle, in der die städtischen Wasserwerke dereinst ihre Rohre lagerten, soll einmal ein zentraler Aufführungsort für die freie Theaterszene in München werden. Dafür bekommt sie einen 780 Quadratmeter großen Veranstaltungssaal im Erdgeschoss, zugelassen für tausend Besucher, ein offenes Foyer, in dem die freitragende Eisenbetonkonstruktion sichtbar wird, und einen großzügigen Gastronomiebereich. Die rund 2000 Quadratmeter große Jutierhalle, früher als Produktionsstätte von Wasser- und Gasversorgungsleitungen genutzt, wird künftig die Kunst- und Kreativwirtschaft beherbergen.

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