Süddeutsche Zeitung

Tierpark Hellabrunn: "Frau Nagel" tot:Schwein mit herbem Charme

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Frau Nagel war eine lokale Größe - die selbst im Duell "Mann gegen Schwein" mit OB Ude nur knapp zweiter Sieger wurde. Nun musste das Pinselohrschwein im Tierpark Hellabrun eingeschläfert werden.

Christian Mayer

Auf ihre Weise war sie eine Berühmtheit, auch wenn das nicht jeder Zoobesucher ahnte. Frau Nagel, das Pinselohrschwein von Hellabrunn, ist am Donnerstag eingeschläfert worden. "Ihr Zustand hat sich dramatisch verschlechtert, wir mussten im Sinne des Tierschutzes die traurige Entscheidung treffen, sie einzuschläfern", sagt Zootierärztin Christine Kempter.

Frau Nagel, die im April 1992 im Duisburger Zoo geboren wurde, gehörte zu den Publikumslieblingen im Tierpark Hellabrunn. Sie war im besten Sinne eine produktive Kraft: 25 Ferkel brachte sie in der Anlage an den Isarauen zur Welt. Vor allem aber lebt das Schwein mit der schwarzen Stirn und dem Zottelbärtchen in der Erinnerung des Oberbürgermeisters weiter. Vor wenigen Tagen erst ist das neue Buch von Christian Ude erschienen: "Mein Pinselohrschwein und andere große Tiere" (Piper-Verlag).

In der Titelgeschichte erzählt der Autor von seinem Verhältnis zu Frau Nagel, die er 2003 erstmals in ihrem Gehege aufsuchte. Es war ein fröhliches Rendezvous, auch die Jungtiere aus der Nagel-Dynastie gesellten sich zum Gruppenfoto, der OB streichelte die Borstenviecher, alles war niedlich-friedlich.

Der vom herben Charme der Pinselohrschweine beeindruckte OB wollte bald darauf den eigenen Enkeln Frau Nagel aus der Nähe zeigen. Dieser zweite Versuch, seine Verbundenheit mit jeglicher Kreatur in der Stadt München zu demonstrieren, endete jedoch mit einem Debakel. Während einer Fütterung der Jungschweine näherte sich Frau Nagel dem hemdsärmeligen Stadtoberhaupt. "Plötzlich raste sie mit aberwitzigem Tempo auf mich zu, öffnete schon unterwegs das Maul, rammte mir ihren Rüssel in den Bauch und biss dann erschreckend kraftvoll zu", schreibt Ude. "Ich schrie auf, was aber nur die Aufmerksamkeit der Zoobesucher hinter den Gittern steigerte."

Vier Mal musste der Tierpfleger, der gleich zu Hilfe eilte, auf das Tier eindreschen, erst dann ließ Frau Nagel vom Oberbürgermeister ab. Resultat: ein zerrissenes Hemd und zwei tiefe Löcher im Bauch. Die Geschichte vom wild gewordenen Pinselohrschwein machte die Runde, sogar in Berlin, wo der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einen schnoddrigen Kommentar für seinen Parteifreund übrig hatte: "Sei doch froh, dass die Sau so hoch hinauswollte."

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Quelle:
SZ vom 26.03.2011
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