Süddeutsche Zeitung

Terrorismusbekämpfung:Münchens Extremisten-Jäger

Lesezeit: 2 min

Von Martin Bernstein, München

Die Gefahr eines Terroranschlags in München wird von den Sicherheitsbehörden bisher als "abstrakt" bewertet. Doch das extremistische Potenzial aus dem rechten wie dem islamistischen Spektrum ist auch in der Landeshauptstadt hoch. Drei islamistische Gefährder hat die Münchner Polizei derzeit im Blick. Eine Münchner Moschee und sieben rechtsextremistische Organisationen aus der Landeshauptstadt werden vom Verfassungsschutz beobachtet.

Zwei ungeklärte Anschläge gab es in den vergangenen zwei Jahren auf Moscheen in der Landeshauptstadt. 27 Übergriffe auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte registrierte die Polizei in München allein bis Ende September, einige weitere gab es im Münchner Umland. Und nicht nur gegen Münchens Pegida-Chef Heinz Meyer wird wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Viel Arbeit also für die neue Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET), die Justizminister Winfried Bausback (CSU) am Dienstag vorstellte.

In München ist eine der drei Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften angesiedelt, die sich in Bayern um Staatsschutzdelikte kümmern - also um Rechts- und Linksextremisten, um extremistische ausländische Organisationen, um Islamisten und um organisierte Islamfeinde. In München wird jetzt auch ein neuer, vierter Staatsschutzsenat beim Oberlandesgericht geschaffen, denn "die drei, die es bereits gibt, kommen nicht mehr hinterher", sagt Münchens Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel. In seiner Behörde ist das neue ZET angesiedelt, Chef ist leitender Oberstaatsanwalt Georg Freutsmiedl.

Der 57-Jährige und seine Mitarbeiter haben, obwohl es die Zentralstelle offiziell erst seit dem 1. Januar gibt, bereits alle Hände voll zu tun. Die erfahrenen Oberstaatsanwälte bearbeiten 14 Ermittlungsverfahren, die die Bundesanwaltschaft an sie abgegeben hat, dazu rund 80 Fälle, die als Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat oder als Terrorismusfinanzierung eingestuft werden. In einem Fall, zu dem Freutsmiedl sich am Dienstag nicht näher äußern wollte, haben die Münchner Extremisten-Verfolger bereits Anklage erhoben.

Die neue Münchner Zentralstelle hat laut Nötzel Modellcharakter für ganz Deutschland, wie der Generalstaatsanwalt nach einem Telefonat mit Generalbundesanwalt Peter Frank am Dienstag berichtete. Sie könnte als Vorbild für ähnliche Einrichtungen in anderen Bundesländern gelten. Bundesweit gibt es bereits ein gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) in Köln, in dem mehr als 40 deutsche Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten.

Verfahren wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung führt in der Regel der Generalbundesanwalt. In seinem Auftrag ermittelt seit 2012 etwa das bayerische Landeskriminalamt gegen den Vorsitzenden der Münchner Pegida. Es soll dabei um Kontakte Meyers zum als Rechtsterrorist verurteilten Martin Wiese gehen.

Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck suchte vor einem Jahr den Urheber eines gescheiterten rechten Sprengstoffanschlags in Maisach. Dort hatte ein Helfer in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft eine abgebrannte Konstruktion aus zusammengeklebten Feuerwerksraketen entdeckt, auf die mit blauem Filzstift "Jude" und "Himmla" geschrieben war. Wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung ermittelte die Münchner Polizei im vergangenen Januar nach Drohungen gegen Asylbewerberheime in anderen Bundesländern, die ein Münchner in den sozialen Netzwerken ausgestoßen hatte. Der Anfangsverdacht wurde inzwischen jedoch heruntergestuft - gegen den Mann wird jetzt noch wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole ermittelt.

Anschläge gab es in den vergangenen beiden Jahren auch auf Moscheen in München. Nach einer Brandstiftung an einem Nebengebäude der für ihren interreligiösen Dialog bekannten Pasinger Moscheegemeinde im Juni 2015 sind die Ermittlungen inzwischen eingestellt worden. Keinen Täter fanden die Staatsschützer auch nach einer Sachbeschädigung an der Moschee des Vereins Sanli Salih in der Carl-Wery-Straße im Mai.

Auf der islamistischen Seite des extremistischen Spektrums kennen Verfassungsschützer derzeit etwa hundert Gefährder bayernweit. Aktuelle Daten für München gibt es dazu offiziell noch nicht. Die Zahlen sollen aber in etwa denen des Vorjahres entsprechen. Damals kannte die Münchner Polizei 21 salafistische Gefährder, von denen 19 in Richtung Syrien oder Irak zum bewaffneten Kampf ausgereist waren, es versucht hatten oder wieder zurück waren. Drei von ihnen waren in München registriert, die übrigen im Gefängnis, im Ausland, tot oder verschollen.

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SZ vom 04.01.2017
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