Süddeutsche Zeitung

Kultur in Tutzing:Mozart, Ochsen und Gesang

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Wenn an diesem Freitag nach zwei Jahren Zwangspause der erste Tutzinger Kulturabend stattfindet, wird alles ein bisschen kleiner als sonst. Dafür muss man nicht weit gehen, um zwischen Klassik, Ortsgeschichte und Bayern-Kino zu hoppen.

Von Viktoria Spinrad, Tutzing

Vom Roncallihaus zur Christuskirche sind es 290 Meter, drei Gehminuten also. Von dort zum Rathaus 180 Meter - zwei Minuten. Rathaus - Galerie: 83 Meter, eine Minute. Galerie - St. Josephskirche: 150 Meter, zwei Minuten. Von dort zum Kurtheater läuft man die 230 Meter in etwa drei Minuten. Wäre man in der Tram unterwegs, würde ein Kurzstreckenticket reichen.

Doch sollten am Freitag die eigenen Füße reichen, wenn Tutzing zum ersten Mal seit drei Jahren wieder ein kostenloses Kulturprogramm auf die Beine stellt. Alle sechs Veranstaltungen finden im Carré rund ums Rathaus statt. In der Vergangenheit waren es schon mal doppelt so viele Events. Doch angesichts der viralen Planungsunsicherheit haben sich die Organisatoren heuer für ein abgespecktes, wenn auch nicht minder feines Programm entschieden - einen "Kulturabend" statt einer "Kulturnacht" eben. Elisabeth Dörrenberg (CSU), Zweite Bürgermeisterin und Kulturreferentin, erkennt hier auch einen ganz praktischen Vorteil: "So kann man vieles miteinander verbinden."

Akkordeon - oder doch lieber Klavier? Besucher haben die Qual der Wahl

Der Parallel-Auftakt ist um 19 Uhr. Zum einen im Roncallihaus, wo das Akkordeonensemble unter der Leitung der Tutzingerin Brigitte Vockinger im großen Saal sein breites Repertoire zum Besten geben wird. Die seit elf Jahren bestehende Gruppe gilt als äußerst facettenreich: als ein Ensemble, das sowohl die leisen Töne als auch die großen Volumen beherrscht. Zum anderen wird in der knapp 300 Meter entfernten evangelischen Christuskirche alte und neue Musik zu hören sein. Hierher dürfte es eher die Klassik-Fans ziehen: Schließlich wird die Münchner Musikerin Aylin Aykan bei der Klavier-Soirée unter anderem Werke von Mozart und John Cage spielen. Die gebürtige Münchnerin stammt aus einer Istanbuler Familie und setzt sich für interkulturelle Projekte ein. Zugleich ist sie eng verbunden mit der Evangelischen Kirche in Tutzing. Nach dieser schwierigen Zeit, sagt Dörrenberg, habe man vor allem Künstlern aus dem eigenen Bestand den Vortritt lassen wollen.

Teil dessen sind auch Elke Schmitz und Manfred Grimm vom ortsgeschichtlichen Arbeitskreis der Gemeinde. Die Lokalhistoriker wissen ihr Publikum stets mit lebendigen Einsichten in das Tutzing von anno dazumal zu unterhalten. Diesmal geht es um die Familie Vieregg aus dem alten Adelsgeschlecht, auf das auch das Tutzinger Schloss zurückgeht. Wem eine halbe Stunde Musik zunächst einmal reicht, der kann es sich also um 19.30 Uhr in der Rathaus-Tenne gemütlich machen und dem Treiben des alten Adels lauschen.

Wer doch lieber Musik hört, kann sich von 20 Uhr an wahlweise in der Galerie am Rathaus oder der Pfarrkirche St. Joseph niederlassen. Während die Lehrer der Musikschule Weilheim, Tutzing und Bernried ihr Publikum in der Galerie mit Gesang, Gitarren und Klavier beglücken wollen, wird in der katholischen Kirche der hauseigene und schwungvolle Chor Blue Notes auftreten. Er singt Lieder von "Freiheit, Friede und Zukunft".

Ein wenig Friede verspricht auch der Abschluss des Abends. Denn von 21.15 Uhr an wird eine ironisch gespeiste Hommage an das Bayernland über die Leinwand des Kurtheaters laufen. "Bayern - sagenhaft" ist ein anderthalbstündiger Dokumentarfilm von Joseph Vilsmaier aus dem Jahr 2017, in dem bayerische Eigenarten wie Ochsenrennen mit der biblisch anmutenden Huldigung des FC Bayern zusammengerührt werden. "Ned, dass ihr meint's, ihr seid's im falschn Fuim", frohlocken die Protagonisten im Trailer. Wovor angesichts des vergleichbar seriösen Vorprogramms in Tutzing tatsächlich keiner gefeit sein dürfte.

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