Süddeutsche Zeitung

Haushalt 2023:Pflicht statt Kür

Lesezeit: 2 min

Tutzing bleibt in den kommenden Jahren finanziell kaum Spielraum, viele Projekte müssen hintanstehen. "Ein absoluter Sparhaushalt", sagt Bürgermeisterin Marlene Greinwald.

Von Viktoria Spinrad, Tutzing

Gestalten solle man im Rathaus, heißt es ja stets, nicht bloß verwalten. Doch in Tutzing regiert dieser Tage wie vielerorts statt dem Gestaltungsspielraum eher der Rotstift. Eine WC-Anlage am Kustermannpark für 160 000 Euro, eine Multimedia-Ausstattung für den Sitzungsaal im Rathaus für 44 000 Euro, der Kommandowagen für die Feuerwehr, Pflasterarbeiten am neuen Friedhof, ein Nahwärmenetz fürs Rathaus: All diese Projekte sind zunächst auf Eis gelegt.

"Ein absoluter Sparhaushalt", so nannte Bürgermeisterin Marlene Greinwald (FW) den 376-seitigen Finanzbericht von Kämmerin Manuela Goldate. Diese musste in den vergangenen Wochen das Kunstwerk vollbringen, die Zahlen trotz Rekordpersonal- und Energiekosten und Abgaben an den Landkreis so zu jonglieren, dass Tutzing seine beiden Großprojekte - die Sanierung der Hauptstraße und der Mittelschule - weiter verfolgen kann und gleichzeitig auch noch Geld für Soziales und Vereine bleibt. "Nicht vergnügungssteuerpflichtig", nannte Thomas von Mitschke-Collande (CSU) dann auch die Beratungen in den vergangenen Wochen.

Über Tutzing hängt ein Damoklesschwert, das in dem Zahlenwerk gar nicht auftaucht. Bis zum Ende der Sanierungen der Grund- und Mittelschule im Jahr 2025 muss die Gemeinde etwa zwölf Millionen Euro auftreiben. Auf etwa so viel wird sich ihr Anteil an der Kernsanierung summieren. Überbrückt ist die Finanzierung derzeit mit einem sogenannten Geschäftsbesorgungsvertrag. Eine Art Schattenhaushalt, für den derzeit nur magere 750 100 Euro in der dafür eigenen Rücklage liegen - ein Bruchteil also. Kann die Gemeinde das Geld nicht auftreiben, muss sie wohl die Kustermannvilla verkaufen. Ein eigens eingerichteter Arbeitskreis arbeitet derzeit daran, genau das zu verhindern.

Es ist paradox: Von seinem Einnahmeplus hat Tutzing selbst nichts

Dabei steht die Gemeinde auf den ersten Blick gar nicht so schlecht da. Tutzing lebt traditionell von den Mittelständlern. Viele von ihnen hatten ihr Einkommen im Corona-Jahr 2020 zunächst mit Null veranschlagt, weshalb auch noch 2022 unerwartet viel Gewerbesteuer in die Gemeindekasse floss (7 645 996 Euro). Doch profitiert Tutzing davon selbst nicht. Es ist ein Paradoxon: Wo die Hilfsbedürftigkeit nicht mehr so groß ist, fällt die kommunale Sozialhilfe ("Schlüsselzuweisungen") weg - den Rest fressen die zuletzt angehobenen Transferleistungen an den Landkreis Starnberg auf, fast acht Millionen Euro fließen von Goldates Haushalt zum Kreiskämmerer.

Die Umlage an den Landkreis wurde noch runterverhandelt, mit dem Ergebnis, dass die Sanierung des Tutzinger Gymnasiums aufgeschoben wurde, unter dem Aufschrei der Eltern - ein weiteres Beispiel dafür, mit welchen Dilemmata derzeit jongliert wird. Im Ergebnis bleibt ein Löcherstopfen. Passiert kein Wunder, wird die Gemeinde erstmals ans Ersparte gehen müssen, um ihren Verwaltungsbetrieb überhaupt am Laufen halten zu können - denn auch die Personalkosten sind gestiegen.

"Wir müssen in Zukunft an unsere Einnahmen denken", mahnte denn auch Wolfgang Behrens-Ramberg (TL). Tutzing hat ein chronisches Einnahmeproblem, hier wird besonders laut gestöhnt über die Tatsache, dass mit dem Einkommen der Bewohner zwar die Erwartungen wachsen, nicht aber die Gemeindekasse - die Einkommenssteuer ist schließlich gedeckelt. Als einer der wenigen Hebel gilt die Gewerbesteuer, aber in den anlockenden Unterbietungswettbewerb von Steueroasen wie Grünwald dürfte Tutzing gar nicht einstimmen, selbst wenn es das wollte. Mit seinem Hebesatz liegt Tutzing im unteren Mittelfeld, daran rütteln mag derzeit keiner so recht, auch nicht nach oben, wie es zuletzt Andechs aus der Not heraus beschlossen hat.

Und so manövriert sich Tutzing mit kaum Schulden (derzeit 1 381 259 Euro), aber auch mit schwindenden Rücklagen durch die Krisenzeit - laut dem Plan werden letztere in diesem Jahr von 4,92 auf 2,55 Millionen Euro schmelzen. Nachhaltigkeitsprojekte wie ein Nahwärmenetz werden da schnell zum Luxus. Ein "weiter so", monierte Flora Weichmann (Grüne), schiene unter diesen Umständen schwer vorstellbar.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5747759
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.