Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft im Landkreis Starnberg:Runter vom Gaspedal

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Viele Firmen kämpfen mit den hohen Energiepreisen. Vor allem die Logistik- und Transportbranche trifft die Entwicklung hart. Mancher Unternehmer greift deshalb zu ungewöhnlichen Maßnahmen.

Von Christian Deussing und Linus Freymark, Starnberg

Die explodierenden Spritpreise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine treffen auch die Wirtschaft im Landkreis Starnberg. Viele Branchen sind vom Ölpreis abhängig; verändern sich die Gegebenheiten auf dem Weltmarkt, hat das direkte Auswirkungen auf die Unternehmen. Besonders betroffen ist die Logistikbranche: Transportfirmen und Busunternehmen kämpfen mit den gestiegenen Treibstoffpreisen, der ein oder andere Firmeninhaber greift zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um die Kosten zu reduzieren.

Denn der Preisanstieg für Diesel und Benzin ist enorm: Seit Jahresbeginn koste der Diesel bis zu 48 Prozent mehr, klagt Maike Wolf, Bereichsleiterin für Transportlogistik bei der Firma Reichhart in Gilching. Das Unternehmen hat bundesweit 14 Standorte und eine Flotte von 104 Sattelzügen (40 Tonner) und 115 Fahrzeuge bis zu 12,5 Tonnen. Die 86 angestellten Fahrer sollen nun ihre Reisegeschwindigkeit um drei bis fünf Stundenkilometern reduzieren, um dadurch etwa drei Prozent an Treibstoff einzusparen.

Sinnvoll ist es aus Sicht von Reichhart, auf alternative Antriebe wie Biogas, Elektro oder Wasserstoff zu setzen und sie in die Flotte zu integrieren, um die Abhängigkeit von bestimmten Kraftstoffen zumindest teilweise zu verringern. Weitere Hebel, die hohen Kosten zum Teil abzufangen, seien unter anderem professionelles Reifenmanagement, die Nutzung von Fahrassistenzsystemen sowie Schulungen und "Bonifizierung der Lkw-Fahrer", erläutert Bereichschefin Wolf. Zudem beschäftig sich das Unternehmen damit, Fahrzeuge mit aerodynamischen Anbauteilen auszustatten und so den Kraftstoffverbrauch zu senken. Es sei überdies entscheidend, die Auftraggeber "mit ins Boot zu holen" und mit variablem Zuschlag beim Kraftstoff schwankende Preise auszugleichen zu können, wenn dies vertraglich möglich sei, so Wolf.

Doch auch diese Strategien reichten nach Ansicht der Gilchinger Speditionsfirma nicht aus, die explodierenden Kosten komplett abzufangen . Das Unternehmen fordert von der Politik, mit einem "Krisengipfel Mittelstand" gegenzusteuern und die Preise für Diesel und andere Kraftstoffe zeitweise deutlich zu senken. Man befürworte auch die Forderung der Logistikverbände, ein Hilfspaket für die Branche zu schnüren. Denn insbesondere kleine Speditionen könnten die Krise ohne Hilfe nicht stemmen, betont die Firma Reichhart.

Auf Hilfe hofft auch das Busunternehmen Demmelmair, das über einen Fuhrpark von hundert Bussen verfügt und in der Region Starnberg 15 Linien des Münchner Verkehrsverbundes (MVV) bedient. Der hohe Dieselpreis von etwa 2,26 Euro und der um das Vierfache gestiegene Ölpreis für Getriebe, Motoren und Achsen habe die Firma in Not gebracht, sagt Inhaber Gerhard Bestele. Er müsse jetzt für ein Fass Öl 2000 statt 500 Euro zahlen. Der 64-Jährige beklagt monatliche Mehrkosten von mehr als 100 000 Euro und erklärt: "Wir kämpfen ums Überleben." Corona und Quarantäne habe man ohne öffentliche Gelder bewältigen können - die neuen Dieselpreise dagegen seien nicht mehr alleine zu stemmen.

Bestele hält es für dringend notwendig, die Mineralölsteuer zu reduzieren. Zudem müsse die Politik die Busunternehmen finanziell unterstützen. Den MVV habe er schon um Hilfe gebeten, der Verkehrsverbund zeige sich kooperativ. "Aber denen sind ja auch die Hände gebunden", befürchtet Bestele.

Unter Druck ist ebenso der Gautinger Busunternehmer Hans Pavle geraten. Er hat seine Mitarbeiter angewiesen, nicht zu schnell zu fahren, um Sprit zu sparen. Pavle schrieb seine Kunden an, dass man die Fahrpreise leicht erhöhen müsse. Bislang sei er auf Verständnis gestoßen. Einen großen Reisebus hat Pavle nun gegen einen kleineren mit weniger Gewicht und niedrigem Aufbau ausgetauscht, um den Dieselverbrauch zu senken. Zudem sollen künftig Leerfahrten vermieden werden, sagt der Busunternehmer.

Auch bei der Bayerischeen Seenschifffahrt beobachtet man die Preisentwicklung genau. "Wir schauen da schon mit Sorge drauf", sagt Pressesprecher Marcus Weisbecker. Zwar beginnt die Saison erst Mitte April, sollten die Treibstoffpreise jedoch bis dahin weiterhin so hoch bleiben, kämen auf die Branche noch nicht abschätzbare Mehrkosten zu. Und das, wo man sich doch gerade erst aus der vorangegangenen Krise befreit wähnte. "Nach Corona haben wir Hoffnung geschöpft auf eine halbwegs normale Saison", sagt Weisbecker. Ob sich dieser Wunsch erfüllt, ist unklar. Denn setzen sich bei den aktuellen Preisen noch genauso viele Menschen wie in den vergangenen Jahren vom Frühjahr an in ihr Auto und kommen nach Starnberg? Weisbecker befürchtet: nein.

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