Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Steg mit Symbolcharakter

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Das Gewerbegebiet im Norden der Stadt soll von 2025 an komplett umgestaltet werden. Über eine Fuß- und Radlbrücke über die B2 zeichnet sich ein Konflikt zwischen Stadt und Landratsamt ab.

Von Peter Haacke, Starnberg

Es ist ein kühner Plan, der das Erscheinungsbild der Stadt Starnberg nachhaltig verändern dürfte: Die Familien Houdek, Baasel und Scherbaum wollen die teils heruntergekommenen Industriebaracken im Starnberger Gewerbegebiet nördlich der Bundesstraße 2 auf einer 3,5 Hektar großen Fläche abreißen lassen. Stattdessen soll am Rand des Leutstettener Mooses ein hochmodernes Quartier mit Hochhäusern, Wohnungen und Arbeitsplätzen entstehen. Der Startschuss zum Bau des millionenschweren Projekts mit dem Namen "Moosaik" soll im Jahr 2025 erfolgen, zehn Jahre später könnte das neue Quartier fertiggestellt sein.

Die Hoffnungen und Erwartungen an das komplexe Vorhaben, das voraussichtlich mehr als 500 Millionen Euro kosten dürfte, sind groß. Unzählige Dinge sind noch ungeklärt, doch schon gibt es die erste Auseinandersetzung: Zwischen Landratsamt und Stadt herrscht Unklarheit über den Bau einer Fußgänger- und Radbrücke über die Bundesstraße 2, die Moosaik und Landratsamt verbinden könnte.

Der städtische Bauausschuss befasste sich am Donnerstag ein weiteres Mal mit dem 2019 erstmals vorgestellten Mammutprojekt im südlichen Teil des Gebietes zwischen Moosstraße, Petersbrunner Straße und B2 sowie einen Teilbereich östlich der Petersbrunner Straße. Geht es nach den Vorstellungen von Robert und Rudolf Houdek, den beiden Chefs des in Starnberg seit 1926 ansässigen Fleisch- und Wurstwarenimperiums, bleibt hier kein Stein auf dem anderen: Das seit Beginn der Fünfzigerjahre mit viel Wildwuchs entstandene Gewerbegebiet soll einem modernen Quartier weichen, das Wohnen mit Arbeit und hoher Aufenthaltsqualität verbindet und darüber hinaus auch allerlei öffentliche Ansprüche erfüllen soll.

In der Rathausverwaltung, das dem Vorhaben allerhöchste Priorität einräumt, stapeln sich bereits die Unterlagen: Gutachten zu Baugrund, Hydrologie, Altlasten, Verkehr, Abstandsflächen, Umwelt, Immissionen, Artenschutz, Stickstoffeinträgen, Sozialbedarfsprognose, Einzelhandel und vieles andere mehr müssen berücksichtigt werden, auch Abwasser, Energie- und Wärmeplanung sind Themen. Zuletzt hatte sich der Ausschuss im Juli 2022 mit dem aktuellen Planungsstand befasst, nun folgte die Neuauflage: Zur Debatte standen das städtebauliche Konzept, die Gebäudeentwürfe, die Anzahl der Stellplätze sowie Ein- und Ausfahrten zur Tiefgarage, Straßen-, Abstands- und Quartiersflächen.

Die Debatte über die aktualisierte Entwurfsplanung dominierte jedoch vor allem ein Thema: der Steg über die B2 zum Landratsamt. Nach Auffassung der Stadtverwaltung haben die Kreisgremien keine Zustimmung für die Brücke erteilt, weil die Planungen hierzu auch Flächen des Landratsamts betreffen. Zudem war eine Verkehrsuntersuchung zum Ergebnis gekommen, dass das Nutzungspotenzial der Brücke durch Fußgänger und Radfahrer mit 1,3 bis 2,3 Querungen pro Minute bei Baukosten zwischen drei und fünf Millionen Euro zu gering sei und die Investitionen nicht rechtfertige. Auch durchkreuze der Steg laut Bürgermeister Patrick Janik (CSU, UWG, SPD, BLS) das Planfeststellungsverfahren, überdies könnten sich urheberische Konflikte mit dem Architekten des Landratsamts, Fritz Auer, ergeben.

Im Gremium erhob sich darauf vehementer Widerspruch. Vertreter verschiedener Fraktionen betonten die Wichtigkeit dieses Details für die Akzeptanz der Gesamtplanung. Christiane Falk (SPD) lobte den "großen Vorteil für die Stadt" und betonte den "Symbolcharakter" der Brücke als verbindendes Element. Marc Fiedler (FDP) mochte gar erst weiterplanen, wenn eine Zustimmung von Landrat Stefan Frey (CSU) vorliege. Und Otto Gaßner (UWG) forderte von Frey "mehr Heimatliebe zu Starnberg als seine Angst vor dem Kreistag". Die Planung sei prinzipiell nicht so schwierig, und die Brücke sei wichtig.

Mit Verwunderung reagierte am Freitag Landrat Frey auf die Vorwürfe. Er verwies auf ein Schreiben seiner Behörde aus dem Vorjahr vom 10. August, in dem er von der Stadt die Klärung einer Reihe offener Fragen zum Vorhaben forderte, insbesondere eine Präzisierung des Brückenbaus. Das Schreiben liegt der SZ vor. "Aber da kam bislang nichts", beteuert der Landrat, "und ich brauche eine vernünftige Vorlage zur Entscheidung." Das Schreiben dokumentiere nicht seine persönliche Haltung, sondern werfe lediglich Fachfragen auf. Der Kreistag habe sich daher bislang gar nicht mit der Angelegenheit befasst. Erstaunlich sei auch, dass Moosaik-Gruppe und Stadt auf fremden Grund planen. "Sollen wir etwa eine Schenkung vollziehen?", fragt sich Frey.

In den Überlegungen der "Moosaik"-Macher unter Beteiligung hochkarätiger Ingenieurbüros spielt der Steg nur eine untergeordnete Rolle. Hier schwärmt man von einem einheitlichen und stimmigen Baukonzept "mit viel Freiraum für unterschiedliche architektonische Interpretationen und Gestaltungsmöglichkeiten (...) als wesentliche Grundvoraussetzung für ein gewachsenes, lebendiges und abwechslungsreiches Stadtquartier, das sowohl tagsüber als auch abends von Leben erfüllt ist". Geplant sind unterschiedlich gestaltete fünf- und sechsstöckige Gebäude mit 20 Meter Einheitshöhe sowie zwei Häusern im Herzen des Quartiers, die mit 38 und 32 Metern Bauhöhe (zehn Geschosse) bauliche Akzente setzen sollen.

Was die Stadträte davon halten, bleibt abzuwarten: Die Fraktionen sind aufgefordert, bis zum 18. September ihre Anregungen zu den Inhalten des Rahmenplans mitzuteilen. Dass es bis dahin auch eine Einigung mit dem Landratsamt gibt, ist eher unwahrscheinlich.

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