Süddeutsche Zeitung

Inzidenz über Grenzwert:Starnberg verschärft Corona-Regeln

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Geschäfte dürfen nur nach Terminvergabe an Kunden öffnen. Landrat Stefan Frey scheitert mit seiner Forderung nach einer Ausnahmegenehmigung

Von Carolin Fries, Starnberg

Einkaufen im Landkreis wird von diesem Donnerstag an nach nur drei Tagen wieder mühsamer. Weil die Sieben-Tage-Inzidenz seit Sonntag über dem Grenzwert von 50 liegt, gelten verschärfte Corona-Regeln, die besonders Geschäfte treffen. Sie dürfen nur noch für Kunden öffnen, die einen Termin gebucht haben - das sogenannte Click & Meet. Landrat Stefan Frey (CSU) hatte am Dienstag noch versucht, die Schließung mit einer Ausnahmeregelung zu verhindern. Doch die Regierung von Oberbayern und das Gesundheitsministerium lehnten den Antrag der Kreisbehörde ab.

"Ich hätte den Einzelhandel gerne offen gelassen, um den Händlern eine Perspektive und den Bürgern etwas Normalität zurückzugeben", so Frey, der die Schließung der Geschäfte für "nicht schlüssig erklärt" hält. "In Wahrheit ist im Einzelhandel doch weniger los als in den Supermärkten", so Frey, der für seinen Vorstoß zumindest im Landkreis politische Rückendeckung bekommt. Grünen-Kreisvorsitzende Kerstin Täubner-Benicke wünscht sich "ein bisschen mehr Gerechtigkeit im Einzelhandel". FW-Kreisvorstand Albert Luppart befürwortet die Idee ebenso. Er sieht auch keinen Widerspruch darin, die Geschäfte zu öffnen, während die Stege an den Seen weiter gesperrt bleiben und an den Promenaden weiträumig Alkoholverbote gelten. "An den Stegen gibt es kein Fachpersonal."

Eveline Grill vom Spielwarengeschäft "Krömer" in Starnberg ist zuversichtlich, dass auch das Einkaufen nach Terminvereinbarung "gut klappen" wird. Natürlich sei es für die Kunden schöner, einfach hereinzuschneien und sich inspirieren zu lassen, sagt sie. Seit sechs Jahren arbeitet Grill im Unternehmen, das über 25 Filialen verfügt - darunter Läden in Herrsching, Bad Tölz, Füssen, Garmisch, Tegernsee und Murnau. "Wir sind aber noch immer ein Familienbetrieb", sagt die 59-Jährige. In Starnberg hilft sie derzeit nur aus, sie arbeitet eigentlich in Tölz. Derzeit suchten ihre Firmenchefs sogar wieder Personal, erzählt Grill. Denn einige Mitarbeiter hätten sich wegen der Kurzarbeit im Lockdown anderweitig orientiert. Viel Ware habe man in den vergangenen Monaten auch an die Kunden verschickt.

Christoph Klöpfer, Geschäftsführer von "Klöpfer Modehaus für Männer", hofft, dass die neuen Regelungen auch bei den Kunden ankommen. Die Verwirrung sei groß. Er habe in dieser Pandemie mehr Glück gehabt als viele Kollegen, denn zumindest müsse er keine Miete zahlen. Die neue Regelung für den Einzelhandel ab einer Inzidenz von 50 empfindet der "Händler aus Leib und Seele" als unlogisch, denn davon würden vor allem große Supermarkt-Ketten profitieren. Die dürften von Schuhen bis Sportkleidung alles verkaufen. "Das finde ich ungerecht", sagt Klöpfer. "Wenn man alles wieder runterfährt, dann macht man den Einzelhandel komplett kaputt." Deshalb befürworte er den Antrag von Landrat Frey auf eine Ausnahmeregelung für Starnberg "absolut".

Christine Langer liebt ihren Laden in der kleinen Starnberger Ludwigstraße. "Er ist mein Baby ", sagt die 63-Jährige. Es gibt Wolle und Garne zum Stricken, Sticken oder Häkeln. Knöpfe jeder Form, Farbe und Größe, Reißverschlüsse verschiedener Längen, Spitzen und Bänder. Bei "Nadel und Faden" musste man auch bisher schon Name, Anschrift und Telefon hinterlassen. Da ihr Laden weniger als 50 Quadratmeter misst, darf nur ein Kunde ins Geschäft. Im ersten Shutdown habe sie Soforthilfen erhalten, erzählt sie. "So habe ich es bisher recht gut verkraften können." Aber wenn das nun so weiter gehe - auf, zu, auf, zu - dann werde es auch bei ihr eng. Angst, dass viele der Kunden dauerhaft ins Internet abwandern könnten, hat sie nicht. Denn es komme auch auf die Beratung an.

Jens Baier vom "Radhaus Starnberg" zählt sich und sein Fahrradgeschäft nicht zum "normalen Einzelhandel", da sie systemrelevant seien. Sie würden nämlich die Mobilität der Leute sicherstellen und hätten deshalb mehr Möglichkeiten: "Wir haben sowieso auf und dürfen Einzelteile auch ohne Click & Meet verkaufen. Deshalb sind wir nicht der typische Fall von Einzelhandel, der seine Türen wieder schließen muss", so der 51-Jährige. Nur für den Verkauf von Fahrrädern müssen die Kunden einen Termin im Voraus ausmachen, wobei der einzige Aufwand die Dokumentation der Kunden sei, die ein und aus gingen. Er könne sich jedoch nicht beschweren, da die Werkstatt Reparaturen annehmen könne und die Warteliste an größeren Reparaturen momentan vier Wochen beträgt.

Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter spricht von "einigen Hundert" Geschäften im Fünfseenland, für die es immer knapper werde. Mit den steigenden Infektionszahlen "geht jegliche Perspektive flöten". Terminshopping fange die wegfallenden Umsätze kaum auf, "das wird äußerst träge angenommen".

Auch Museen und Galerien dürfen nur noch mit Termin besucht werden, wie in den Geschäften müssen zudem die Besucherdaten erfasst werden. Die Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich bleiben unverändert: Treffen mit den Angehörigen eines weiteren Hausstandes sind erlaubt, solange dabei eine Gesamtzahl von insgesamt fünf Personen nicht überschritten wird. Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Gleiches gilt für Sport im Freien, der zusätzlich mit bis zu 20 Kindern bis 14 Jahren im Freien erlaubt ist. An den Schulen bleibt es angesichts der aktuellen Inzidenz von 62,9 wohl auch in der kommenden Woche beim Wechselunterricht.

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SZ vom 18.03.2021
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