Süddeutsche Zeitung

Demonstration gegen AfD-Kundgebung:Überwältigender Protest

Lesezeit: 2 min

250 Starnberger demonstrieren in Starnberg gegen 35 AfD-Anhänger. Auf Transparenten fordern sie "Herz statt Hetze". Hinterher fegen sie den Kirchplatz.

Von Peter Haacke, Starnberg

AfD-Bundestagsabgeordneter Martin Hebner (Mitte) ist auf dem Starnberger Kirchplatz umringt von Gegendemonstranten,...

...die selbst angefertigte Plakate mitgebracht haben...

... und den Platz symbolisch reinigen.

Die Kundgebung der "Alternative für Deutschland" (AfD) auf dem Starnberger Kirchplatz hat am Donnerstagnachmittag lautstarken Protest hervorgerufen. Den etwa 35 Anhängern der rechtspopulistischen Partei, die aus verschiedenen Gemeinden des Landkreises Starnberg sowie dem Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau angereist waren, standen nach Angaben der Polizei etwa 250 Gegner gegenüber. Die Rede des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner war angesichts eines permanenten Lärmpegels kaum zu verstehen. Von handgreiflichen Auseinandersetzungen blieb die Veranstaltung verschont; vereinzelt kam es zu Wortgefechten zwischen AfD-Anhängern und Gegnern, die Polizisten schlichteten.

Die Gegendemonstranten kamen aus allen Altersschichten und gesellschaftlichen Gruppen - Familien mit Kindern, Jugendliche, viele Senioren. Viele hatten selbst gestaltete Transparente dabei. "Herz statt Hetze", stand etwa auf einem, "Zusammenhalt statt Spaltung" oder "Lieber Gutmensch als Menschenverachter" auf anderen. Unter den Gegendemonstranten waren auch die beiden Landratskandidaten Martina Neubauer (Grüne) und Stefan Frey (CSU), Stadt- und Kreisräte, Altlandrat Heinrich Frey, Starnbergs Zweiter Bürgermeister Klaus Rieskamp sowie der evangelische Pfarrer Stefan Koch, der - ausgestattet mit Küchenschürze und Glasreiniger - "für den richtigen Durchblick" sorgen wollte. Die SPD beteiligte sich mit ihrem "Europamobil" am Protest. Bürgermeisterin Eva John wurde nicht gesichtet. "Nazis raus", "Aufhören" oder "Hetzer, Hetzer" skandierten die Gegner zeitweise. Vereinzelt störten sie mit Trillerpfeifen und einer Pressluftfanfare, sogar ein Laubbläser kam zum Einsatz.

Tanja Wahlfels, 41, aus Starnberg: "Ich bin heute hier, weil es mir am Herzen liegt, mich gegen den Rechtsruck in Europa stark zu machen. Wenn eine AfD-Veranstaltung ausgerechnet hier in Starnberg stattfindet, kann ich es nicht zulassen, dass so eine Partei in meiner Stadt ungestört sprechen kann. Ich kann deren ganzen Wahlprogramm nichts abgewinnen. Es bringt nichts, nur zu Hause zu sitzen und sich über diese Politiker zu ärgern. Man muss auch hinaus gehen und seinen Ärger zeigen. Ich möchte mich für ein tolerantes und freies Europa einsetzen."

Sibylle Loeben, 60, aus Endingen am Kaiserstuhl: "Ich halte die AfD für eine fremdenfeindliche Partei, die außerhalb der Gesetze agiert. Diese Politiker müssen sehen, wie viele Menschen nicht mit ihren Ansichten einverstanden sind. Ich hoffe, dass wir damit signalisieren können, dass es eine breite demokratische Mitte gibt, die gegen ihre Politik ist. Ich möchte AfD-Wähler oder noch Unentschlossene auch dazu auffordern, sich noch einmal Gedanken zu machen, was für eine Partei sie da eigentlich unterstützen

Hannah Maassen, 19, aus Augsburg: "Die AfD ist eine Partei, die Menschenwürde nicht respektiert und Leute aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Glaubens ausgrenzt. Dagegen muss man ein Zeichen setzen. Die Menschen, die von dieser rechtspopulistischen Partei diskriminiert werden, sollen durch Veranstaltungen wie diese sehen, dass sie nicht alleine sind und sich jemand für sie einsetzt. Wir müssen uns gegen die AfD wehren. Dass sie gegen die Seenotrettung ist oder den Klimawandel leugnen, sind nur zwei Dinge, mit denen ich nicht einverstanden bin."

Die Kirchenglocken läuten gegen die AfD

Pünktlich um 17 Uhr begannen die Kirchenglocken zu läuten und vereitelten somit zunächst den Start der AfD-Veranstaltung. Zudem war Hebner nicht pünktlich anwesend, so dass sich Leerlauf im Programm ergab. Das Organisationsteam der AfD war mit einem blauen Lieferwagen angereist, die Anhänger der Partei hielten an Besenstielen befestigte, selbstbemalte Schilder mit Parolen in die Höhe. Hebners Versuch, während eines knapp halbstündigen Vortrags mit den Starnbergern in einen Dialog treten zu wollen, war angesichts der Geräuschkulisse von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Die Rhetorik verschärfte Alexander Neumeyer vom AfD-Kreisverband Weilheim-Schongau, der den Demonstranten provokant zurief: "Nachdenken ist offensichtlich nicht eure Stärke." Gleichwohl betonte er, für den Protest sei er sogar "indirekt dankbar", und bezeichnete den Auftritt seiner Partei in Starnberg angesichts der Aufmerksamkeit als "vollen Erfolg". Die AfD setzte ihre Veranstaltung am Abend vor etwa 150 Anhängern in der Schlossberghalle fort, wo ein Auftritt des Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio auf dem Programm stand. Ebner bezeichnete dabei die vorangegangene Kundgebung als "Kesseltreiben auf dem Kirchplatz".

Die AfD-Gegner hatten nur mit 80 Teilnehmern gerechnet

Martina Neubauer (Grüne), die im Namen des "Starnberger Dialogs" die Gegendemonstration angemeldet hatte, sagte: "Ich bin sehr stolz auf die Starnberger." Ihre Erwartung - sie hatte ursprünglich lediglich 80 Teilnehmer angemeldet - wurde bei weitem übertroffen. Altlandrat Frey, der seine Abneigung gegen die AfD nicht verhehlte, reagierte ungehalten, als ihn ein AfD-Aktivist mit Mikrofon zur Rede wollte: "Schleich' dich am besten", sagte er. "Sie haben hier nichts zu suchen." CSU-Kreisvorsitzende Stefanie von Winning befürwortete zwar, dass man Flagge zeige, distanzierte sich aber von der Protestform: "Pfeifen ist kein Inhalt", sagte sie.

Aus Sicht der Starnberger Polizei, die sowohl mit uniformierten als auch zivilen Kräften im Einsatz war, verlief die Veranstaltung wie erwartet: Gewalttätigkeiten sollten verhindert werden, "und das haben wir geschafft", sagte der stellvertretende Inspektionsleiter Frank Brosch. Etliche Gegendemonstranten hatten Besen, Putzlappen, Handfeger und Wischmopps mitgebracht, mit denen sie nach dem Abgang der Rechtspopulisten den Kirchplatz symbolisch reinigten.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2019
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