Süddeutsche Zeitung

Partnerschulen:Von Tutzing nach Togo

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Das Gymnasium Tutzing geht eine Partnerschaft mit einer Grundschule in Togo ein. Zum Auftakt kommt die komplette Schulfamilie.

Von Nikolai Vack, Tutzing

Schlagartig sind hunderte Schülerinnen und Schüler still. Eben noch war es ein großes Gequatsche und Geraune in der Tutzinger Würmseehalle. Auf Turnmatten und oben in der Gallerie hat sich am Freitag die gesamte Schulfamilie des Tutzinger Gymnasiums versammelt. Doch dann nimmt Lara Heineke das Mikrofon in die Hand. Auf der Leinwand taucht eine deutsche und die Flagge Togos auf, durch die Halle stimmt die Bigband der Schule das Lied "Imagine" von John Lennon an.

Sie sind hier, weil an diesem Nachmittag ein besonderes Projekt vorgestellt wird. Es ist der Beginn einer Partnerschaft zu einer Grundschule in einem kleinen Dorf im westafrikanischen Staat Togo. Nargbal heißt es. "Es war eine lange Suche", schildert Heineke. Sie hat das Projekt zusammen mit ihren Mitschülerinnen Magadalena Pain und Antonia Haes ins Leben gerufen. Letzten Endes seien sie aber doch auf die Hilfsorganisation gestoßen, die sie bei ihren Bestrebungen unterstützen kann, sagt Lara Heineke.

An vielen Orten in der Welt kann man für 20 Euro ein Kind kaufen

Zusammen mit ihren Mitstreiterinnen wollte sie eine Schulpartnerschaft mit einem Land eingehen, in dem die jungen Leute helfen können. Kein einfaches Unterfangen, bei den vielen sozialen Baustellen in einer globalisierten Welt. Bei ihrer Suche stießen die jungen Partnerschaftspioniere auf "Kinderhilfe global", eine Organisation, die unter anderem Kinderpatenschaften vermittelt und sich weltweit für Kinder in Not einsetzt. Durch sie kamen die Tutzinger auf das 4500 Kilometer entfernte "Nargbal" in Togo - ein Dorf, so klein, dass man es im Internet gar nicht findet.

"Was bekommt man für 20 Euro?", prangt in großen Lettern auf der Leinwand in der Würmseehalle. Davor ergreift jetzt Sibylle Jendrowiak das Wort. "Nargbal ist unsere erste Patenschule, die allein von einer Schülerinitiative ausging", sagt die Geschäftsführerin der Kinderhilfe. Im Jahr 2008 wurde ihr in Indien ein Säugling von obdachlosen Eltern zum Kauf angeboten. Diese entsetzliche Erfahrung war der Anfang ihres ersten Projekts "Indienhilfe Deutschland".

Wie kann das privilegierte Tutzing dem kleinen Nargbal im Norden Togos helfen? Kann hier eine Freundschaft auf Augenhöhe entstehen? Kurzum: Partnerschaft - oder Patenschaft? Jendrowiak zeigt Bilder: wüstige Landschaften, bescheidenes Schulgebäude, lachende Kinder vor blauem Himmel. Die Grundschulkinder in Nargbal benötigten neues Mobiliar, sagt sie, Unterrichtsmaterialien und bestenfalls auch ein neues Gebäude. Mit dem Verkauf von Plätzchen konnten die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Tutzing schon mal eine Summe von 400 Euro einsammeln.

Dabei soll es aber nicht bleiben. Brieffreundschaften und Videokonferenzen sollen dazu beitragen, einen besseren Einblick in den Alltag der jeweils anderen Schule zu gewinnen. Dass es hier nicht nur um einseitige Entwicklungshilfe geht, macht auch Mit-Initiatorin Lara Heineke klar: "Wir helfen uns gegenseitig beim Wachsen", sagt sie.

Auch Tutzings Bürgermeisterin ist gekommen. Mit Lennons Hymne der Friedensbewegung kann auch die 1961 geborene Marlene Greinwald (FW) etwas anfangen. "Empathie und soziale Fähigkeiten sind der Schlüssel eines glücklichen, gelungenen und erfolgreichen Lebens", sagt sie. Prominente Einspieler kommen auch vom Tutzinger Sänger und Philanthropen Peter Maffay, der Schauspielerin Michaela May, dem Kabarettisten Hannes Ringlstetter und der Moderatorin Carolin Matzko.

Die Unterschriften aus Togo liegen schon vor, nach einer Stunde unterzeichnen auch die Schüler und der Schulleiter die Partnerschaftsurkunde. Worauf sich die Tutzinger nun einstellen können, zeigt sich in einer Videobotschaft der togoischen Schüler. Eine Gruppe Grundschulkinder ist auf der Leinwand zu sehen. In der Mitte ein Junge, der französisch spricht. Er freue sich sehr auf die Partnerschaft, sagt er, und wünscht allen fröhliche Weihnachten.

Als Organisatorin 13 weiterer Schulpartnerschaften in Indien hat Sibylle Jendrowiak hautnah beobachten können, wie sich die Hilfe auf eine Verbesserung der Lebensqualität der Familien vor Ort und auf das Wohlbefinden der Kinder auswirkt. "Sie können einfach wieder Kind sein."

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