Süddeutsche Zeitung

Nepomuk:Wenn's dem See zu viel wird

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Erst die Sturmflut, dann schon wieder Herr Boning: In Herrsching muss der Ammersee derzeit einige Zumutungen ertragen.

Von eurem Nepomuk, Herrsching

Leute, kaum hat das neue Jahr angefangen, muss ich schon wieder losgranteln. Schließlich geht es um meinen Zweitwohnsitz, den Ammersee: Der war ja lange nur halb so überlaufen wie mein Starnberger Stammdomizil. Doch leider herrscht zwischen Stegen und Dießen nun oft der gleiche Trubel wie zwischen Starnberg und Seeshaupt. Im Ammersee hatte ich bisher wenigstens zwischen Oktober und April meine Ruhe. Tempi passati, kann ich da nur sagen: Erst wüten dort tagelang Sturm und Hochwasser - und dann war er schon wieder da.

Damit mein' ich diesen niedersächsischen Komiker, den Boning Wigald. Der hat sich vor zwei Jahren in Herrsching niedergelassen - was jetzt jedermann landein landaus erfahren musste. Er habe sich "im Ammersee gesundgeschwommen", trötete der Mann auf allen Kanälen dermaßen permanent und penetrant, dass man dieser Botschaft gar nicht mehr ausweichen konnte. Das Jahr war heuer noch keine Stunde alt, als sich der bekennende "Nachtsportler" samt Partytröte und Pudelmütze wieder im Ammersee wälzte, während am Himmel noch die Raketen explodierten. Natürlich wie stets samt Kamera für die sozialen Medien.

Leute, ich glaub' ja, dass weltweit noch kein Schwimmer sein Tun so schamlos an allen Fronten vermarktet hat. Schließlich gilt es, das neue Buch "Boning geht baden" an den Mann und die Frau zu bringen. An diesem Sonntag will der Wigald am 555. Tag in Serie ein unschuldiges Gewässer heimsuchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder der arme Ammersee sein wird, ist hoch. Mich würde es nicht wundern, wenn ein findiges Fremdenverkehrsunternehmen dort bald Boning-Beobachtungstouren anbietet.

Ich kann da aber nur abraten, der ästhetische Genuss beim Anblick eines halb nackten 56-jährigen Komikers mit hässlicher Badehaube ist ziemlich begrenzt. Einer meiner dringlichsten Wünsche fürs neue Jahr wäre daher, dass Boning sein publikumswirksames Geplansche bald einstellt. Er sollte sich einfach ein neues Steckenpferd suchen. Zuvor hat er ja schon zelten, laufen und zu Fuß gehen in Bücher gepackt und verkauft. Aber was bleibt da noch an Titeln übrig: Herr Boning steht rum? Boning lernt stillsitzen? Damit dürfte es freilich dem gewieftesten Marketingstrategen schwerfallen, die Bestsellerlisten zu stürmen.

Apropos stürmen: Ich hab' da noch die vage Hoffnung, dass es vielleicht der Ammersee selbst richtet. Habt ihr gesehen, welche Unmengen an Kies und Schotter er jetzt mit der Flut an der Herrschinger Uferpromenade angehäuft hat? Ich sag' euch: Das sind alles die Steine, die Generationen von Kindern im Laufe der Jahrzehnte vom Ufer ins Wasser geworfen haben, plus Zinsen. Der See kann sich also durchaus wehren, wenn es ihm zu viel wird. Da muss Wigald Boning aufpassen, dass der See nicht auch ihn mal ausspuckt.

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