Süddeutsche Zeitung

Schnappschuss:Das "Krokodil" im Ammersee

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Aufgetaucht ist es angeblich am Sonntagnachmittag. Natürlich gibt es die Echsen nicht in Bayern. Aber wenn es sie gäbe, wäre Herrsching für sie der beste Ort - wussten schon die Biermösl Blosn.

Kolumne von David Costanzo, Herrsching

Aufgetaucht ist es am Sonntagnachmittag gegen 16 Uhr. Andreas Baar rudert über den Ammersee, um seine schwimmende Freundin zu begleiten, da entdeckt er es, das Krokodil. Vor dem Kiosk im Herrschinger Ortsteil Wartaweil ragt die Schnauze aus dem Wasser, Nasenlöcher, Augen und Panzer sind gut auszumachen, unfassbar auf den ersten Blick. "Mich hat's richtig gerissen", sagt der Schreiner aus Gilching mit einem Grinsen. Auch am nächsten Tag staunt er noch immer über die Ähnlichkeit: "Die Silhouette, eins zu eins..." In Australien hat er schließlich einmal beim Angeln ein Exemplar entdeckt - aber er weiß auch, dass Oberbayern nicht Queensland ist. Krokodile? Gibt's hier nicht.

Das mag sein. Aber eines ist auch wahr: Wenn die Echsen irgendwo auftauchten, dann würde es noch am wenigsten verwundern, wenn das im Ammersee vor Herrsching der Fall wäre. Denn der Ort entwickelt sich mehr und mehr zur Serengeti des Fünfseenlands. Hier spaziert schon mal ein Biber am Bahnsteig herum. In einer Safari stellte den possierlichen Nagern im vergangenen Jahr sogar Bürgermeister Christian Schiller nach - geschossen hat er aber nur Fotos. Und was für putzige. Bei den Gänsen am Ufer gehen die Meinungen freilich eher auseinander. Denen wollte der oberste Wildhüter der tierischen Gemeinde gar mit einem Seeadler ans Gefieder.

Und man muss wissen, dass Krokodile zu dieser Jahreszeit in Bayern nichts Ungewöhnliches sind - zumindest solche Arten, die sich bestens in seichten Sommerlöchern wohlfühlen. Erst vor zwei Jahren rief im Tautinger Weiher bei Weilheim keine 30 Kilometer weiter südlich ein Krokodilskopf die Polizei auf den Plan, die diesen als genau das entlarvte - einen Krokodilskopf, eine Attrappe allerdings, die ein Spaßvogel auf einer Stange ins Wasser gestellt hatte. Und noch einmal 20 Kilometer ostwärts im Eichsee bei Großweil wurde ein Jugendlicher in den Finger gebissen - aber nicht von einem Alligator, sondern von einer Schildkröte.

Andreas Baar macht also einen Schni-Schna-Schnappschuss von seinem Krokodilssteinhaufen und stellt ihn ins Internet, zwinkerzwinker: "Ähm, Leute, liegt das am Aperol - oder sieht noch wer ein Krokodil?" Muss eines sein, ist sich eine Kommentatorin sicher, zwinkerzwinker. Schließlich hat schon die Biermösl Blosn davon gesungen: "...des Krokodui, des Krokodui, des schwimmt im Ammersee, es schnorchelt hin, es schnorchelt her, es muaß heit ned in d'Schui..."

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Quelle:
SZ vom 15.09.2020
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