Süddeutsche Zeitung

Eines der wichtigsten Baudenkmäler Starnbergs wird verkauft:Die Villa der Wohltäterin

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Ruth Gräfin Almeida hatte sich für Bedürftige eingesetzt - ihre vier Enkel sehen sich nun gezwungen, den Familienbesitz zu veräußern. Das Anwesen soll einen zweistelligen Millionenbetrag kosten.

Von Astrid Becker, Starnberg

Sie ist eines der bedeutendsten Bauwerke Starnbergs: die Almeida-Villa an der Weilheimer Straße. Nun soll das imposante und unter Denkmalschutz stehende Anwesen, zu dem Gesindehaus, Pavillon und ein knapp 27 000 Quadratmeter großer Park gehören, verkauft werden. Die Vermarktung hat das auf Luxusimmobilien spezialisierte Maklerbüro Duken & von Wangenheim übernommen - und agiert dabei äußerst diskret. Es geht schließlich um einen zweistelligen Millionenbetrag. Eine Handvoll Interessenten sollen sich aber bereits gefunden haben.

Fast zwei Jahrhunderte lang hatte sich die Villa nebst umliegender Liegenschaften in Familienbesitz befunden. Zuletzt hatte in dem Bau, der 1832 von Prinz Karl, einem Bruder von König Ludwig I., für seine Gattin, Freifrau Sophie von Bayrstorff, nach Plänen des Architekten Franz Xaver Eichheim erbaut worden war, eine bekannte und beliebte Wohltäterin der Stadt gewohnt: Ruth Gräfin Almeida. Sie hatte unter anderem der Stadt die Grundstücke überschrieben, die diese dringend für den Bau des TSV-Sportgeländes benötigte. Mit ihrer Hilfe konnte zudem die St. Johannis-Almeida-Stiftung gegründet werden, die bedürftige Menschen unterstützt. Ihr zu Ehren trägt auch der Weg, der an ihrem Anwesen vorbei in Richtung See führt, ihren Namen. Und wer die Villa in diesen Tagen betritt, gut fünf Jahren nach ihrem Tod, könnte fast den Eindruck gewinnen, jeden Moment dort noch Ruth Gräfin Almeida zu begegnen.

Repräsentatives Anwesen: der Blick in einen der großzügigen Salons im Obergeschoss der Villa Almeida in Starnberg,...

... die seit jeher Schauplatz gesellschaftlicher Empfänge war.

Zu einem herrschaftlichen Gebäude...

...gehört auch ein repräsentatives Treppenhaus, in diesem Fall mit einem originellen Leuchter samt ausgestopftem Papagei.

Die Badezimmer der Villa haben indes Sechzigerjahre-Charme.

Über der Spüle in der kleinen Beiküche im ersten Stock stehen ein paar Tassen und ein silbernes Kännchen zum Abtropfen, die Regale in den Salons sind mit den Büchern der Gräfin gefüllt. Ein Plattenspieler ist zu sehen und sogar noch ein paar Aktenordner. Über den Betten sind Tagesdecken ausgebreitet, auf den Tischen steht allerlei geschmackvoller Nippes. Bewohnt wirkt das, und alles andere als steif, steril oder ungemütlich. "Wir haben das bewusst so gelassen", sagt Fabian Waechter, der das Anwesen zusammen mit seinen beiden Geschwistern und einer Cousine geerbt hat. Die Vier sind die Enkel von Ruth Gräfin Almeida - und sie haben fünf Jahre darum gekämpft, den Familienbesitz halten zu können. "Ich war von uns allen dabei sicherlich noch derjenige, der am wenigsten emotional damit umgegangen ist", sagt Waechter, der in Österreich geboren und aufgewachsen ist.

Schon bald nach dem Tod seiner Großmutter sei ihm klar geworden, dass die Vier darüber nachdenken müssten, wie sie mit ihrem Erbe umgingen, sagt der 43 Jahre alte Mediziner, der viele Jahre bei Pharmaunternehmen als Manager gearbeitet hat: "Daher kommt vielleicht meine eher pragmatische Sicht darauf." Denn das Haus ist mit einer Fläche von mehr als 800 Quadratmetern recht groß, Platz für die vier Enkel und deren Familien birgt es in sich aber dennoch nicht. Es verfügt über zwei Flügel, die allenfalls, so Waechter, von zwei von ihnen bewohnt werden könnten. Diese Zwei aber müssten dann die anderen beiden Erben auszahlen: "Auch wenn das vielleicht komisch klingen mag, aber über so viel Geld verfügen wir nicht." Zudem seien die Unterhalts- und Instandsetzungskosten hoch für ein Anwesen, das in den vergangenen Jahren nur in einem kleinen Teil vermietet war: "Wir haben das recht günstig hergegeben, damit auch jemand im Haus ist", sagt Waechter.

In den Jahren seit dem Tod von Gräfin Almeida haben die vier Erben seinen Aussagen zufolge alles geprüft, was möglich gewesen wäre: Vermietung, Verpachtung, öffentliche Nutzung. Mit der Stadt seien Gespräche geführt worden, um herauszufinden, ob diese selber Ideen für die Nutzung des geschichtsträchtigen Hauses habe. Sogar mit dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds seien sie in Kontakt getreten - doch vergeblich. Anfang dieses Jahres hätten sie sich dann zum Verkauf entschlossen. Allerdings nicht, ohne zuvor in der Familie darüber zu beratschlagen: "Meine Mutter", sagt Waechter, "ist ja noch dort aufgewachsen, sie ging in Starnberg ins Gymnasium." Er, seine Geschwister und seine Cousine hätten nie dauerhaft dort gewohnt. Jedoch habe er als Ältester der vier Enkel seine Großmutter in vielen Belangen unterstützt, vor allem nach dem Tod des Großvaters vor vielen Jahren.

"Sehr eng" nennt er daher die Beziehung zu ihr. Und auch mit der Villa verbindet ihn viel: "Wir haben hier als Kinder immer unsere Ferien verbracht." Das sei immer ganz anders gewesen als Zuhause bei seinen Eltern: "Wir sind ja ganz normal aufgewachsen." Bei seiner Großmutter hingegen wurde Wert gelegt auf Rituale, zum Beispiel darauf, dass Essenszeiten eingehalten und die Speisen noch vorgelegt und serviert wurden. "Das war wichtig für sie, obwohl sie selbst aus bürgerlichen Verhältnissen stammte und erst in die Rolle der Gräfin nach ihrer Heirat schlüpfte, diese aber dann perfekt ausfüllte." Dazu gehörte eben auch Großzügigkeit anderen gegenüber, die nicht so privilegiert seien wie man selbst, sagt Waechter: "Dabei war sie sich selbst gegenüber immer sparsam. Da wurde jedes Essen bis zum letzten Krümel aufgegessen, nie etwas weggeworfen. Das gehörte sich einfach nicht."

Die Speisen allerdings wurden schon bei Ruth Gräfin Almeida, die in den Sechzigerjahren in das Anwesen gezogen war, nicht mehr in der einstigen Küche zubereitet. Sie war, wie in so vielen anderen herrschaftlichen Wohnhäusern auch, ursprünglich im Untergeschoss oder Erdgeschoss untergebracht - je nachdem, von welcher Seite aus das Anwesen betrachtet wird. Denn es liegt auf einer kleinen Anhöhe, auf dem einstigen Georgsbichl, den der Erbauer abtragen ließ, um das Haus mit seinen Flügeln darauf zu platzieren. Eine Auffahrt parallel zur Weilheimer Straße führt direkt an den Hintereingang. Dort kommt man ins Entree, von dem aus links und rechts zwei Treppen in das Geschoss führen, in dem sich einst die Wirtschaftsräume befanden. Lagerkeller beispielsweise, die Umkleiden für die Bediensteten oder die einstige Küche. Über ein recht repräsentatives Treppenhaus gelangt man ins erste Obergeschoss oder auch Erdgeschoss, je nachdem. Denn hier befindet sich der eigentliche Eingang zum Haus: "Hier, auf der Seeseite, fuhren früher die Kutschen vor", erzählt André Schnitzke, Geschäftsführer im Büro München Süd bei Duken & von Wangenheim bei einem Ortstermin mit der SZ. Er und der Immobilien-Sachverständige Ludwig Wöhrl haben sich bis ins Detail mit dem Objekt befasst, für das sie den Zuschlag der Eigentümerfamilie erhielten, die einen Maklerwettbewerb mit anspruchsvollen Kriterien ausgeschrieben hatte.

Über die Terrasse betraten die Gäste einst ein Speisezimmer, an das sich rechts das Wohnzimmer, links ein Arbeitszimmer anschlossen. Dahinter sind auf beiden Seiten sogenannten Blumenzimmer in den alten Grundrissen von 1837 verzeichnet. In Richtung Westen, also Weilheimer Straße, finden sich noch Schlafzimmer in beiden Flügeln, Badezimmer, Ankleiden, Zofenzimmer und Garderobe. Im Laufe der Zeit wurde an diesen ursprünglichen Plänen ein wenig gefeilt und manches verändert, aber im Prinzip setzt sich dieselbe Aufteilung - mit Ausnahme der zwei Blumenzimmer, die durch Dachterrassen ersetzt sind - auch im Geschoss darüber fort. Das ganze Haus ist vom Blick her zum See und zum Garten ausgerichtet, der Ausblick entsprechend umwerfend.

Auf der Westseite, zur Straße hin, ist noch ein einstiges Gesindehaus mit derzeit sechs Wohnungen und ein Pavillon, der zu Zeiten von Prinz Karl für Teegesellschaften genutzt wurde, seit vielen Jahren aber leer steht. Ein neuer Eigentümer wird also noch ein paar Millionen Euro investieren müssen, um das Anwesen denkmalgerecht und behutsam auf den heutigen Stand zu bringen. Das verhehlen weder Fabian Waechter noch das Maklerbüro. Wünsche gibt es dennoch: "Wir hoffen, dass das Haus von den neuen Eigentümern wirklich richtig bewohnt und dass es vielleicht auch bisweilen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, wie es meine Großmutter tat", sagt Waechter. Eine Handvoll ernsthafter Interessenten hätten sie bereits gefunden, sagt Schnitzke: "Sie prüfen unser Angebot gerade." Um wen es geht, verrät er aber nicht. Nur so viel: Es handele sich dabei ausschließlich um Unternehmerfamilien aus dem Münchner und Starnberger Raum, "niemanden aus Übersee", und "um Menschen, die bereits Erfahrung im Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden mitbringen."

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Quelle:
SZ vom 08.12.2018
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