Süddeutsche Zeitung

Schlüsseltechnologie:WLAN aus dem Weltall

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Seit mehr als 20 Jahren wird am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zur Datenübertragung zwischen Erde und Satelliten geforscht. Mit ihrem neuen System setzen die Forscher einen weiteren Meilenstein für die Kommunikation der Zukunft.

Von Tim Graser, Oberpfaffenhofen

Bildschirme, blinkende Lichter und bunte Kabel: Wo der Laie sich fragt, wie man da den Überblick behalten soll, steuern die Profis vom Institut für Kommunikation und Navigation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ihre neue Laserkommunikationsanlage. Zur Einweihung der neuen Hardware kommen am Mittwoch hohe Vertreter aus Forschung und Industrie: OHB, Tesat, Airbus und natürlich die European Space Agency (ESA) - alles, was in der Raumfahrt Rang und Namen hat, ist in Oberpfaffenhofen vor Ort. Denn die neue Technik bietet viele Möglichkeiten und große Herausforderungen, die keiner verpassen will.

In den Medien tauchen zuweilen Bilder neu entdeckter Sternensysteme, vorbeifliegender Kometen oder eines Schwarzen Lochs auf - aufgenommen von Satelliten, die ihre Fotos auf die Erde senden. Bisher ging das eher langsam und gemächlich über Radiosignale. Da konnte die Übertragung eines einzigen Fotos - je nach Entfernung - schon mal mehrere Tage dauern. Doch nun senden Satelliten mit neuer Technologie: Lasersignale. "Die Datenmenge ist gigantisch im Vergleich zur alten Radiotechnik", schwärmt Johannes Prell, Laborverantwortlicher für die optische Bodenstation. In gleicher Zeit könnten nun mehrere hundert Bilder statt eines einzigen übertragen werden.

Als sein "Baby" stellt Prell das neue Teleskop auf dem Dach des Instituts vor. Mit 80 Zentimetern Durchmesser sollen hiermit ganze Datenberge aus dem All empfangen oder gesendet werden. Zwar steht es schon seit einigen Monaten, doch nun wurde es offiziell eingeweiht. Auf diesen Tag hatte der Luft- und Raumfahrttechniker sehnlichst gewartet: "Da haben wir jetzt drei Jahre darauf hingearbeitet." Prell drückt ein paar Knöpfe, die Kuppel öffnet sich, das Teleskop dreht sich. Über diverse Spiegel wird das Lasersignal ins Labor unterhalb der Kuppel zu einem "optischen Tisch" geleitet: Eine Art Werkbank, auf der weitere Spiegel, etliche Linsen und andere technische Gerätschaften millimetergenau installiert sind. Hier wird der Laserstrahl durchgeleitet, das Signal kann in Daten übersetzt werden für den Computer am Ende der Leitung, der Fotos, Videos, Dokumente oder andere Dateien ausspuckt. Im Hintergrund registrieren Kontrollbildschirme unter anderem Wetterdaten und Radarbilder der Luftraumüberwachung.

Bereits 2016 stellte das Institut in einem Experiment einen Rekord in der Datenübertragung auf: 1,72 Terabit pro Sekunde erreichte die neue Technologie, eine enorme Übertragungsgeschwindigkeit. Ein einziger Terabit entspricht 125 Gigabyte - etwa so viel wie 30 000 heruntergeladene Lieder auf dem Handy. Damals wurden zu Testzwecken Ballone mit der Technik ausgerüstet, die am Himmel einen Satelliten simulieren sollten. Ein Jahr später toppten sich die Wissenschaftler um ein Vielfaches: Die Übertragungsrate betrug gigantische 13,2 Terabit pro Sekunde. Damit ist die Oberpfaffenhofener Empfangs- und Sendestation mehr als 170 000 Mal so schnell wie ein durchschnittliches heimisches WLAN.

Die Umstellung von Radio- auf Laserkommunikation im All ist laut Prell vergleichbar mit der Umstellung von Kupfer- auf Glasfaserkabel. Und selbst das dürfte untertrieben sein: Die Datenrate würde theoretisch ausreichen, um ganz Westeuropa mit schnellem Satelliten-Internet zu versorgen. Praktisch aber steckt die Technik - trotz zwei Jahrzenten Forschung am DLR - noch immer in den Kinderschuhen. Eine kommerzielle Nutzung sei, wenn überhaupt, frühestens in zwei Jahren möglich, wenn ein entsprechender Satellit in den Orbit geschossen ist, erklärt Projektleiter Florian Moll.

Auch Elon Musk setzt auf die neue Technologie

Dass die Laserkommunikation Potenzial hat, beweist das breite Interesse. So stützen sich neben der "Secure Connectivity Initiative" - ein Programm der EU - auch kommerzielle Großnetzwerke wie Oneweb oder Starlink auf diese Technologie. Bei Letzterem handelt es sich um das Satellitennetzwerk des US-Techmoguls Elon Musk, das zuletzt sogar der Ukraine im Krieg gegen Russland zur verbesserten Aufklärung verholfen haben soll. Die Kommunikation per Lasersignal oder auch "Laserlink" birgt neben der enormen Bandbreite noch einen weiteren Vorteil, an dem die EU-Kommission höchstes Interesse hat: abhörsichere Kommunikation. Denn mit der neuen Technik können sogenannte "Quantenschlüssel" versendet werden, mit denen Nachrichten komplett abhörsicher ver- und entschlüsselt werden sollen. Zumindest könne man sofort bemerken, wenn jemand mithört oder mitliest. Sobald dies der Fall sei, verändere sich sofort auch der Schlüssel - nach aktuellem Stand die einzige Technik, mit der ein Cyber-Angriff eines Quantencomputers abgewehrt werden kann.

Quantenphysik ermöglicht eine abhörsichere Kommunikation

Allerdings sind Quanten in der Physik noch nicht weit erforscht. Selbst manchem Experten qualmt schnell der Kopf, wenn er versucht, sie zu verstehen. "Quanten an sich verstehe ich, der Rest ist für mich Philosophie", sagt etwa ein Industrievertreter über die abstrakte Thematik. Somit bleibt die Forschung an der Lasertechnologie für die Wissenschaftler Pionierarbeit auf allen Ebenen. Insbesondere bei der Absicherung des Austauschs sensibler Daten - etwa bei kritischen Infrastrukturen im All und auf der Erde - "können uns Lösungen der satellitenbasierten Quantenkommunikation entscheiden voranbringen", sagt DLR-Vorstandsvorsitzende Anke Kaysser-Pyzalla. Abhörsichere Kommunikation gewinnt, vor allem in Kriegszeiten, zunehmend an Bedeutung. Im DLR hat man dieses Potenzial erkannt. Wie es genutzt werden kann und ob wir demnächst überall schnelles Satelliten-WLAN bekommen, wird die Zukunft zeigen.

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