Süddeutsche Zeitung

Fünfseen-Filmfestival:Dampferfahrt im Dauerregen

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Sobald das Schiff ablege, sei das Wetter egal, findet Festivalleiter Matthias Helwig - vor allem, wenn auf dem Starnberger See die Auszeichnungen nur so prasseln.

Von Katja Sebald, Starnberg

Ein Schiff, 300 Gäste, vier Preisverleihungen, ein Filmquiz, ein Stummfilmklassiker mit Live-Musik - und fünf Stunden lang Dauerregen. Man hätte es so sehen können, dass die legendäre Dampferfahrt, einer der Höhepunkte auf dem Fünfseen-Filmfestival, komplett ins Wasser gefallen ist. Festivalleiter Matthias Helwig aber befand: "Sobald der Dampfer abgelegt hat, ist das Wetter egal." Und die BR-Journalistin Jutta Prediger, die den Abend moderierte, ging sogar noch einen Schritt weiter: "Optimales Kinowetter!"

Wer nach dem Sektempfang unter Regenschirmen einen Platz im Trockenen auf dem Mitteldeck ergattert hatte, der bekam zwar vom Wetter wenig mit, von der Landschaft aber gar nichts. Einige hartgesottene Festivalfans ließen es sich deshalb nicht nehmen, wie immer auf dem Oberdeck im Freien vor der dort aufgespannten zweiten Leinwand auszuharren. Nach Jahren mit spektakulären Sonnenuntergängen und lauer Sommerstimmung, nach einer Fahrt auf dem schwankenden Schiff durchs Gewitter, die sich tief ins kollektive Festivalgedächtnis eingeschrieben hat, fehle jetzt eigentlich nur noch ein Abend im Nebel, sagte der sichtlich gut gelaunte Helwig, der sich die Freude an der Dampferfahrt nicht nehmen lassen wollte.

Positiv fiel auch seine erste Zwischenbilanz zum Verlauf des 17. Fünfseen-Filmfestivals aus: "Es läuft wirklich gut - für die Verhältnisse", sagte er. Das Wetter sei nicht das Hauptproblem, sondern die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Besucher aus München kämen wegen der Sperrung der Bahnstrecke nicht nach Gauting oder Starnberg: "Aber was will man machen, so ist es." Dennoch seien die Kinos derzeit so gut gefüllt wie seit fünf Jahren nicht mehr, berichtete er. Es sei den beiden US-Filmen "Barbie" und "Oppenheimer" und nicht zuletzt auch dem bayerischen "Rehragout-Rendezvous" zu verdanken, dass auf einmal alle wieder ins Kino gehen. Hochkultur und Events wie das Fünfseen-Filmfestival kosteten jedoch viel Geld und seien deshalb auf Förderungen angewiesen, betonte er noch einmal. Alles sei teurer geworden, nur die Fördergelder gleich geblieben, aber: "Man muss im Etat 20 Prozent Inflation einrechnen."

Der Dokumentarfilmpreis des Festivals in Höhe von 3000 Euro wurde auch in diesem Jahr von der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg gestiftet. Er ging an den Film "Drei Frauen", der im vergangenen Jahr bereits mit dem Publikumspreis bei der "Dok Leipzig" ausgezeichnet wurde. Porträtiert werden die Bäuerin Hanna, die Postbotin Maria und die Biologin Nelly, die in einem abgelegenen Dorf in den Karpaten leben und sich zwischen Weggehen und Bleiben entscheiden müssen. Regisseur und Drehbuchautor Maksym Melnyk, der bereits auf dem Weg zum nächsten Festival war, schickte eine Videobotschaft, in der er sich für die Auszeichnung bedankte.

Der "Video-Art-Preis" im Wert von 500 Euro ist ein Publikumspreis und wird von der "Stephan-und-Christoph-Kaske-Stiftung" gestiftet. Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr Werner Fritsch für seinen Beitrag "In meinem Garten ist der schönste Blitz gewachsen". Mit dem "Short Plus Award" werden Kurzfilme mit einer Länge zwischen 20 und 59 Minuten prämiert. Der Preis wird von der Gemeinde Weßling gestiftet und ist ebenfalls mit 500 Euro dotiert. Eine vierköpfige Jury hatte sich für den Musik-Kurzfilm "Auf Sand gebaut" entschieden, der in der fiktiven Welt eines surrealen Gebäudes spielt. Florian Paul führte Regie und schrieb mit Natalie Baudy das Drehbuch.

Das "Goldene Glühwürmchen" ist der älteste Preis des Fünfseen-Filmfestivals. Die vom Verein Weitwinkel gestiftete Auszeichnung in Höhe von 500 Euro geht an den besten Kurzfilm und wird traditionell auf der Dampferfahrt vergeben. Das Publikum hatte bereits im Vorfeld aus den insgesamt 14 Beiträgen die beiden Finalisten ausgewählt. Am Ende setzte sich "Zaschka - heute ist es schön" der Regisseurin Anne M. Hilliges, der auf dem Festival seine Weltpremiere feierte, gegen "Auf der Strecke" des jungen Gautingers Amos Ostermeier durch.

Gezeigt wird "The Kid" von Charly Chaplin mit Live-Musik

Zu einem großen Filmabend wurde die Dampferfahrt über den nächtlichen See nicht zuletzt durch den Filmklassiker "The Kid" von Charly Chaplin aus dem Jahr 1921, der vom "Trio Tempo Nuovo" live vertont wurde. Der Komponist und Pianist Hans Wolf hat sich mit dem Kontrabassisten Stephan Lanius und dem Flötisten und Percussionisten Thomas Hüter darauf spezialisiert, Stummfilme auf ungewöhnliche Weise zum Klingen zu bringen. Hatte es tatsächlich den ganzen Abend in Strömen geregnet? Egal, es war wunderbares Kinowetter.

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