Süddeutsche Zeitung

Porträt:Liab lachen, Werbung machen

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Erst Milchkönigin, jetzt Starnberger Kreisbäuerin: Beatrice Scheitz vertritt gern die Interessen der Landwirtschaft. Dabei steht die 25-Jährige selbst gar nicht mehr im Stall. Aber dabei geht es bei diesem Amt auch gar nicht mehr.

Von Carolin Fries, Andechs

Viele Frauen sind nicht gekommen zum Kreisbauerntag nach Andechs. Zehn vielleicht - und knapp hundert Männer. "Ist ja auch Bauerntag, nicht Landfrauentag", erklärt Beatrice Scheitz. Sie dürfte die Jüngste im Saal des Klostergasthofs sein. Mit ihren 25 Jahren unter ihren ausschließlich männlichen und im Durchschnitt doppelt so alten Tischnachbarn fällt sie aber nicht nur auf, weil sie jung und weiblich ist, sondern auch, weil sie ständig ihr Mobiltelefon in der Hand hat, während die Grußworte gesprochen werden. Nicht, dass sie telefoniert: Scheitz' Daumen verfassen mit rasend schnellen Bewegungen Nachrichten, ganz nebenbei. Und mit größter Selbstverständlichkeit. So ist sie eben, die moderne Frau. Auch die vom Land.

Ein Pflichttermin ist das für Beatrice Scheitz, die alle hier nur "Trixi" nennen. Die Frauen aus dem Vorstand gehen zum Bauerntag, und die Männer kommen, wenn sich die Landfrauen treffen oder zur Weihnachtsfeier. Man habe beschlossen, mehr zusammenzuarbeiten, sagt Scheitz. Sie ist im August zur Nachfolgerin von Kreisbäuerin Anita Painhofer gewählt worden, Georg Holzer hat den Kreisvorsitz von Georg Zankl übernommen.

Dass da jetzt zwei Junge übernommen haben, dafür gibt es Lob vom frisch gekürten Bauernverbands-Präsidenten Günther Felßner aus Franken: "Zwei subba Loide." Scheitz findet, "der Austausch ist wichtig". Die Arbeit im Verband müsse man nicht aufspalten in Frauen- und Männeraufgaben. Aktuell suchten sie zum Beispiel Betriebe, die landwirtschaftliche Praktikumswochen für Grundschüler anbieten. Die Kinder sollten sehen, woher die Milch kommt und das Korn fürs Mehl. Natürlich kümmere man sich da gemeinsam. Wieso es trotzdem eine Vertretung für Frauen und eine für Männer gibt? Beatrice Scheitz formuliert geschlechtsneutral, dass es immer Menschen brauche, die die Interessen einzelner Gruppen vertreten. Ihre Stellvertreterin Annette Drexl sagt, es gebe schon auch rein frauenspezifische Themen im Bauernverband. "Flechtkurse zum Beispiel."

"Ich hab ' das Gesicht nicht", sagt die Stellvertreterin

Eigentlich sollte Drexl die neue Kreisbäuerin werden, "doch ich hab' das Gesicht nicht", sagt die 53-Jährige. Außerdem brauche man die Jungen - und die Trixi, mei, "sie lacht so liab". Im Repräsentieren habe Scheitz als bayerische Milchkönigin entsprechend Erfahrung und Kontakte sammeln können. Also ist Drexl in die zweite Reihe zurückgetreten: "25 Jahre - das ist eine andere Hausnummer". Und jetzt? "Wir teilen uns die Termine", sagt sie, "ich kann werktags gut, die Trixi übernimmt die Abendtermine." Dass Scheitz keinen Hof hat und am späten Nachmittag nicht in den Stall muss, sei deshalb ein Vorteil. Mindestens einmal in der Woche telefonieren die Frauen, "wir sind da ganz offen miteinander, auch bei unterschiedlicher Meinung". Das komme schon mal vor.

Scheitz ist in der Landwirtschaft groß geworden, auf einem der bekanntesten Betriebe des Fünfseenlands überhaupt. Die Molkerei Scheitz vermarktet ihre Produkte seit Jahren erfolgreich deutschlandweit; mittlerweile werden die Milchprodukte unter dem Markennamen "Andechser Natur" verkauft. Der regionale Vertrieb wird zusätzlich hochgehalten, es gibt einen Hofladen und Verkaufsautomaten im Ort.

Beatrice Scheitz kümmert sich um die drei Apparate und ist fast täglich dort. Als klassische Bäuerin habe sie sich nie gesehen, sagt sie. Vielleicht auch, weil schnell klar war, dass der Bruder den Bio-Betrieb mit 300 Ziegen und 180 Schweinen übernehmen würde. Scheitz macht also eine Ausbildung zur Industriekauffrau und Wirtschaftsfachwirtin; mehrere Jahre lang arbeitet sie als kaufkaufmännische Angestellte in einem Betrieb in Etterschlag. Dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb bleibt sie verbunden.

2019 übernimmt sie das Ehrenamt der bayerischen Milchkönigin und posiert im Dirndl mit Krone und Milchkrug. Als Botschafterin der Milchwirtschaft will sie vor allem jüngere Menschen erreichen und gibt in einer Videoreihe auf Instagram "Trixis Milchtipps". Darin erklärt sie zum Beispiel, wie man Milch erhitzt, ohne dass sie überkocht. In einem anderen Clip zeigt sie, wie man "Tequila Milchrise" zubereitet. Wenige Monate vor ihrer Wahl zur Kreisbäuerin endete ihre Amtszeit nach drei Jahren.

Es ist also ein fließender Übergang von einem Ehrenamt zum anderen. Was Scheitz als Kreisbäuerin und Vertreterin der etwa 500 Landfrauen im Landkreis Starnberg in ihrer fünfjährigen Amtszeit erreichen will, kann sie nicht konkret benennen: "Ich will für ihre Belange eintreten", sagt sie. Das kommt an der Basis gut an. Zwei ältere Frauen, die "nicht mehr aktiv in der Landwirtschaft sind", aber zum Bauerntag gekommen sind, sagen: "Das muss man anerkennen, dass eine junge Frau dieses Amt übernimmt." Auch Theresa Hack, Vorsitzende der Solidargemeinschaft Starnberger Land, sagt: "Es ist toll zu sehen, dass die junge Generation sich engagiert."

Seit Beginn dieses Jahres arbeitet Scheitz wieder bei "Andechser Natur", jetzt im Qualitätsmanagement. Ein bis zwei Stunden täglich investiere sie nebenbei in ihr Ehrenamt. Im Stall steht sie schon seit Jahren nicht mehr, als Landfrau definiert sie sich dennoch. Die Arbeit mache ihr Spaß. "Die Frau in der Landwirtschaft ist immer stärker im Kommen."

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