Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik in Starnberg:Kampf um jede Arbeitsgenehmigung

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Der Gilchinger Helferkreis will im Gegensatz zum Inninger Team nicht aufgeben. Doch er hat die gleichen Probleme.

Von Astrid Becker, Gilching

Es sind Momente wie diese, die die Helfer frustieren und unglaublich wütend machen: Am Mittwochabend gegen 18.45 Uhr sind mehrere Polizeifahrzeuge in der Gemeinschaftsunterkunft in Gilching angerückt, um - ohne jegliche Ankündigung - eine Mutter und ihre zwei Kinder sowie einen alleinstehenden jungen Mann nach Nigeria abzuschieben. Für diese vier Menschen, aber auch für die restlichen 128 Flüchtlinge, die in der Gilchinger Anlage leben, ein tiefer Schock. "Wissen Sie", erzählt Eva Ott, die erste Vorsitzende des Helferkreises Asyl in Gilching, "manche sind vor lauter Angst noch in der Nacht abgehauen und erst am Donnerstagmorgen wieder aufgetaucht."

Wie, so fragt auch sie sich, soll eine Handvoll Helfer so eine mit Angst aufgeladene Stimmung unter den Bewohnern wieder auffangen? Am Anfang gab es in Gilching 250 ehrenamtliche Asylhelfer, nun sind es "vielleicht noch 15", sagt Ott. Sie kann die Probleme der Inninger, die diese am Dienstag in der Gemeinderatssitzung schilderten, "nur unterschreiben", sagt sie - und das gelte für alle 14 Helferkreise im Landkreis Starnberg. Ott weiß genau, was sie sagt, sie gehört der sogenannten Kontaktgruppe an, die sich alle drei Monate mit Landrat Karl Roth zum "Jour Fixe" trifft. Zu der Gruppe gehören neben Ott Claudia von Maltitz vom Gautinger Helferkreis und Sonja Welski-Preißler von den Kraillinger Asylhelfern - sie sind, wenn man so will, so etwas wie die Sprecherinnen aller Kreise und für die Funktion in der Kontaktgruppe gewählt. Wer mit ihnen und anderen Helfern spricht, kann sich eines gut vorstellen: Den Kontakt und der Austausch mit dem Landratsamt ist für sie zwar wichtig. An den alltäglichen Problemen, mit denen sie zu kämpfen haben, ändert das aber nichts. Zu restriktiv sei die Vorgehensweise der Ausländerbehörde zum Beispiel bei den Arbeitsgenehmigungen, ist von allen Seiten zu hören.

Auch Ott sagt das: "Wir müssen mittlerweile jede Arbeitsgenehmigung juristisch durchsetzen." Das kostet Zeit und auch Geld. Auf Spenden sind sie daher alle angewiesen. Doch auch der damit verbundene Frust ist groß: Ihr erklärtes Ziel, dass das Ausländeramt den ihm zugebilligten sogenannten "Ermessensspielraum" ausnützt, ist aus ihrer Sicht nicht erreicht worden. Im Landratsamt sieht man das freilich anders: "Es hilft uns nichts, wenn die Politik großzügigere Auslegungen verspricht, die Gesetze aber ganz anders sind, die müssen wir umsetzen", so ein Sprecher.

Wie die Abschiebung der vier Menschen nach Nigeria. Der junge Mann soll dem Vernehmen seit 2017 im Landkreis gewesen sein, die Frau und ihre zwei Kinder seit drei Jahren. Ihre Abschiebung sollte durch Instanzen hinweg verhindert werden - vergeblich. Die Mutter wusste angeblich von ihrer Abschiebung bereits seit zwei Jahren, der junge Mann erst seit Ende 2018. Nur einen Termin dafür kannten sie nicht. Die Polizei kam unangekündigt. "Wir haben uns das schon genau überlegt", ist von der zuständigen Polizeiinspektion in Germering zu hören. Von sieben Polizeifahrzeugen spricht Ott in dem Zusammenhang, von einen guten Dutzend Beamten für vier Menschen berichten Augenzeugen. Allein so ein Aufgebot zu einer Zeit, in der weder Unterkunftsverwalter, Asylsozialberater noch Helfer vor Ort seien, bleibe nicht ohne Folgen: "Das geht aufs Vertrauen", so auch Ott: "Die Bewohner denken dann, wir arbeiteten mit der Regierung zusammen. Nicht einfach, sie wieder einzufangen." Deshalb versteht sie die Inninger auch in einem Punkt nicht: "Wir würden nicht aufgeben - das will die Regierung doch nur. Wir werden weiterhin der Stachel im Hintern des Herren bleiben."

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SZ vom 26.07.2019
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