Süddeutsche Zeitung

SpVgg Unterhaching:Wohnzimmer? Friedhof!

Lesezeit: 3 min

"Gähnende Leere, Ruhe, keine Bewegung, Verstecken": Claus Schromm, Trainer des Drittligisten, kritisiert nach dem 1:1 gegen Köln das Phlegma seiner Mannschaft.

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Plötzlich drehte sich Claus Schromm um Richtung Haupttribüne. "Bist du Fan oder was?", schrie er in der 21. Spielminute einem Zuschauer zu, der offensichtlich seine Unzufriedenheit so laut geäußert hatte, dass es der Trainer neben dem Platz hören konnte. Ein "Halt die Klappe" gab es noch hinterher, und etwas, das sich anhörte wie: "Jetzt brauchen wir euch mal!" Die überschaubare, familiäre Atmosphäre, die oft herrscht im Sportpark Unterhaching, sie führt eben auch dazu, dass es gut zu hören ist, wenn sich die Familienmitglieder mal streiten.

Grund dafür ist, dass es im heimischen Wohnzimmer zunehmend langweilig wird zuzusehen. Und die erste Halbzeit gegen Viktoria Köln geriet dann so dermaßen fad, dass der schon Karneval feiernde Fan aus dem Rheinland, der in einer römisch anmutenden Toga über die weitgehend leeren Steinstufen schritt, als Stimmungshöhepunkt gelten durfte. Als "Friedhof-like" bezeichnete Dominik Stroh-Engel später die Atmosphäre. Und das gegen eine Mannschaft, die eigentlich immer ein bisschen Spektakel mit im Gepäck hat, die viele Tore schießt und viele fängt - etwa so wie noch vor Kurzem die SpVgg Unterhaching, weshalb die Erwartungen an attraktiven Fußball noch immer recht hoch sind.

Diesmal gab es ein mageres 1:1-Unentschieden, und die abstiegsbedrohten Gäste ärgerten sich über den gewonnenen Punkt mehr als die Hachinger, die dadurch sogar noch Punktgleichheit mit dem Tabellenzweiten aus Ingolstadt erreichten.

Im Affekt an der Seitenlinie hatte Trainer Schromm ja seine Mannschaft noch in Schutz genommen, doch hernach schien selbst er ein wenig ratlos: "Gähnende Leere. Ruhe. Keine Bewegung. Verstecken." So beschrieb er die Reaktion seiner Mannschaft auf ein sehr frühes Gegentor (2.), oder besser: die Nicht-Reaktion. Max Dombrowka hatte mit einem Ballverlust auf der rechten Angriffsseite einen Konter eingeleitet, den der Kölner Stürmer-Routinier Albert Bunjaku mit einem perfekt gesetzten Kopfball nach einer perfekt gesetzten Flanke verwertete. Wenig später stellte Trainer Schromm den 27-Jährigen vom rechten Mittelfeld ins linke, zur Pause nahm er ihn aus dem Team. Im Grunde hatte Schromm schon vor der Partie umstellen müssen, weil sich um kurz nach neun am Morgen Lucas Hufnagel krank abgemeldet hatte. Weil auch Dominik Stahl krank ist, kam unverhofft der junge Niclas Stierlin im defensiven Mittelfeld zum Einsatz, der zuletzt gar nicht im Kader stand.

Viel ist derzeit die Rede vom großen, ausgeglichenen Unterhachinger Kader, und der Plan ist ja, dass diese Ausgeglichenheit dem Verein bald den Aufstieg beschert. Doch obwohl auch Gästetrainer Pavel Dotchev den Hachingern bescheinigte, sehr schwer ausrechenbar zu sein für einen Gegner: Diesmal schien es, als seien es ein paar Umstellungen zu viel gewesen.

Nach einer Stunde kam Dominik Stroh-Engel ins Spiel. Weil der Angreifer als echter Strafraumstürmer gilt, wirkte das zunächst ein bisschen komisch, denn Haching war bis dahin selten in den gegnerischen Strafraum gelangt. Es machte dann aber doch Sinn, weil Stroh-Engel wenig später völlig alleine am Elfmeterpunkt stand: Stephan Hain hatte einen Strafstoß herausgeholt und Stroh-Engel traf mit seiner ersten Ballberührung (62.). Beim Jubel tippte er sich mit dem Finger mehrmals gegen die Brust - zusammen mit der Aussage, dass er unzufrieden sei, nie in der Startelf zu stehen, war dies wohl nicht nur ein Statement, sondern auch eine Forderung. Immerhin habe das Tor "eine kleine Sturm-und-Drang-Phase" ausgelöst, sagte er.

Doch erstens hatten die Hachinger auch da noch Glück, da ein wohl regulärer Treffer der Kölner in der 79. Minute wegen angeblichem Abseits aberkannt wurde. Zweitens hatte der erfahrene Angreifer noch viele Worte übrig für die Leistung der ersten Halbzeit: "Wir haben kaum Torchancen herausgespielt, gegen eine Mannschaft mit der schlechtesten Defensive der Liga. Da muss einfach mehr kommen." Man sei schlichtweg nicht in die Zweikämpfe gekommen, man sei viel zu ruhig gewesen. Und wenn es spielerisch nicht klappe, zum Erfolg zu gelangen, müsse man sich auch an schlechten Tagen einfach mal mehr zusammenreißen. In der ausgeglichenen dritten Liga "führt jeder Erfolg erst einmal über die Zweikämpfe".

Der Tatsache, dass die vielen Unentschieden gewährleisten, dass Unterhaching oben dranbleibt, setzte der Routinier entgegen, dass man gerade zu Hause viele Siege hergeschenkt habe: "Es könnte viel schöner aussehen." Trainer Schromm hob hervor, dass man nun schon mehr Unentschieden (elf) als Siege gesammelt habe (zehn). Der nächste Gast im Hachinger Wohnzimmer ist der FC Bayern München II, am Freitag in einer Woche - ein Team das besonders selten unentschieden spielt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4800060
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.02.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.