Süddeutsche Zeitung

Spektakel im Olympiapark:Zu Lande, zu Wasser und in der Luft

Lesezeit: 3 min

Zum Outdoorsport-Festival strömen am sonnigen Sonntag zehntausende Besucher. Sie kraxeln, fahren Drachenboot, üben Skispringen oder bestaunen, wie Yoga und Stand-Up-Paddling sich verbinden lassen

Von Tom Soyer

Sie haben es in den Bergen ja eigentlich lieber ruhig, so sagen es die zwei Olympiaparks-Ausflügler im Angesicht einer kleinen Alpin-Herausforderung. Die Alpspitze nennt der Mann, ein drahtiger 60-Jähriger, als Lieblingstour, und seine 26 Jahre junge Tochter nickt zustimmend. Aber man kann an so einem sonnigen Septembersonntag gewohnte Bergpfade auch mal verlassen. Und nimmt zwei je 800 Gramm schwere Eispickel in die Hände, schnallt sich in ein Klettergeschirr, zieht neben der Olympiahalle in München feste Bergschuhe mit Steigeisen an - und versucht sich in der Senkrechten als Eiskletterer. Umtost von Musik von den 60 Ständen des Outdoorsport-Festivals, zu dem 50 000 bis 60 000 Besucher strömen. Das taugt den beiden, sie packen die Kraxeltour nacheinander. Und sind stolz.

Beim "Eisklettern" auf dem Coubertin-Platz bei bis zu 26 Grad Celsius sind an diesem Tag senkrechte Eiswände durch gelbe Platten aus festem, porösem Schaumstoff ersetzt. Damit gehe das etwas einfacher als mit echtem Eis, sagt die Tochter. Im Eis müsste man mit den Pickelspitzen mehr bohren, hier sitzt jeder Schlag auf Anhieb und gibt Halt. Dennoch merkt sie schon nach den paar Metern nach oben, wie fordernd dieser Sport ist. Und wie physikalisch ungünstig: "Der Schwerpunkt ist weg von der Wand, das macht es schwierig, den Pickel rauszuziehen, ohne dass man rückwärts von der Wand fällt."

Natürlich fällt da niemand, weil alles ordentlich mit dem Seil gesichert ist. Wie überhaupt die vielen tausend Menschen, die im Olympiapark neue Sportarten für Draußen ausprobieren, meist Helme tragen, Knie- und Ellenbogenschützer, Schwimmwesten oder Spezialschuhe.

Das alles haben freiwillige Helfer fürs Festival in den Olympiapark geschleppt, um für ihre Nischensportarten zu werben. Jakob Hübl vom SC Auerbach (benannt nach einem Ortsteil von Markt Wartenberg, Kreis Erding) etwa hat mit seinen Sportfreunden gleich eine ganze Skisprungschanze aufgebaut. Die ist natürlich nicht der Hammer für gewaltige Sprungweiten, aber doch eine saubere Mutprobe für den Nachwuchs. Der wird von diesem Skisprung-Verein eingekleidet, bekommt Helm und Skier, darf auf einen Alu-Turm klettern und dann erst in einer Alu-Anlaufspur, dann auf echtem Schnee und schließlich auf bremsenden grünen Kunststoffmatten neue Flugkarrieren beginnen. Ein Top-Fotomotiv für die Familie.

Zum ökologischen Aufschrei gibt es übrigens keinen Grund, den Schnee haben sie sich von der benachbarten Olympia-Eissporthalle holen können, inklusive einem Reserve-Häuferl unter weißer Plastikplane. Sie vertreten einen Ganzjahressport und betreiben daheim in Wartenberg - als einziger Verein im Flachland weit und breit - drei Naturskisprungschanzen. Sommers mit Kunststoffmatten, im Winter dann gerne auch mit echtem Schnee drauf, oder von der Schneekanone. Wie Hübl erhofft sich Skisprung-Trainer Rudi Heilmeier natürlich mehr Nachwuchs. "Jeder rennt ins Fuaßboi, und de Madln zum Reiten", da habe es eine Randsportart wie das Skispringen schwer, klagt Hübl. Beim Skispringen sei es wichtig, etwa mit zehn Jahren auf der kleinsten Schanze zu beginnen, um das rasch bis zu großen Schanzen zu steigern. Bis 15 stehe quasi fest, wer in diesem Sport erfolgreich werden könne.

Unten auf dem Olympiasee tummeln sich derweil eine Menge Wassersportler. Am eindrucksvollsten sind die zwei Drachenboote des Kanu-Regattavereins München, der draußen an der Regattastrecke in Oberschleißheim beheimatet ist - und keine Altersprobleme kennt. Moreno Nigro, der Vorsitzende, ist vor zwei Wochen gerade in Pattaya in Thailand in der "Ü50"-Klasse Weltmeister geworden. Er und seine Freunde von den "Bavarian Kongs" - ehedem ein Männer-Fußball-Spielkreis, jetzt eine gemischt besetzte Drachenboot-Gruppe - sind über die Jugend meist deutlich hinaus, aber fürs Alter natürlich fröhlich bis jugendlich drauf. Die haben Spaß am Paddeln und vermitteln das beim Outdoor-Festival auf dem Olympiasee auch vielen Laien in Zehn-Minuten-Rundfahrten. Den Takt gibt die Frau an der Trommel vor, und nicht alle im Boot schaffen es, die Stechpaddel synchron einzutauchen und kurz, aber kräftig durchzuziehen nach hinten. "Ein Teamsport und ein Synchronsport" sei das, sagt Weltmeister Nigro, und was er meint, wird klar, als ein Steuermann gegen Ende der Runde mal alle neu starten lässt, auf dass es diesmal gemeinsam und richtig mit Schub klappt. Das Manöver gelingt, Stand-up-Paddler, die den Kurs kreuzen und noch recht unbeholfen im See herumstochern, werfen schon panische Blicke herüber - aber der Steuermann lenkt souverän kollisionsfrei. Und lobt sein Team: "Jaaaa, jetzt geht was! Jetzt fahrt da Steuermann Wasserski!"

Die Drachenboot-Leute trainieren das ganze Jahr über draußen an der Regattastrecke und freuen sich über Verstärkung. Denn es sei gar nicht immer leicht, 20 Plätze im großen, unsinkbaren Boot (oder zehn in einem kleineren Bootstyp) zu besetzen. Dafür sei es ein Sport für alle, sagt Nigro, relativ leistungsunabhängig, wie es das nicht oft im Sport gebe.

Ähnlich sieht es wohl beim Polo der Stand-up-Paddler aus, für die der Segel-Surf-Club Neufahrn (Kreis Freising) zwei Stunden lang mit dem Kompressor ein ganzes Polo-Feld mit Toren und rundumlaufender roter Bande in den See gezaubert hat. Das ist lustig, auch für die Zuschauer, weil es deutliche Balance-Aussetzer gibt.

An das ehedem flache Oberwiesenfeld, wo bis 1938 Flugzeuge starteten und landeten, erinnert eine Hauptattraktion: der Flying Fox vom Olympiaberg über den Olympiasee. Viele sind enttäuscht, weil die Plätze für die 400 Meter lange Flug-Tour am Seil verlost wurden - doch zwei junge Frauen aus Lüneburg haben Glück. Sie wollen als München-Besucherinnen eigentlich nur das Olympiagelände sehen, dann landen sie im Gratis-Festival, ergattern die Seilflüge und sind begeistert - vom Festival, von den dicken Karpfen und der Stand-up-Paddling-Yoga-Gruppe unter ihnen und vom tollen München-Panorama.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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