Süddeutsche Zeitung

Soziale Medien:Die Wiesn-Bilanz wird auf Twitter ins Fremdenfeindliche verdreht

Lesezeit: 1 min

Die Polizei ärgert sich über Kommentare unter einem ihrer Posts zum Oktoberfest. Besonders perfide ist der wohl gefälschte Nutzername.

Von Thomas Schmidt

Das Foto zeigt eine junge, blonde Frau, weiße Bluse, Jeans-Jacke, auf ihren Augen leuchten rote Herzchen, die jemand ins Bild montiert hat. Damit schmückt eine "Studentin, früher grün, jetzt parteilos und glücklich" ihren Twitter-Account @DoraBromberger.

So hübsch-harmlos wie er wirkt, ist dieser Internet-Auftritt aus Sicht der Münchner Polizei aber nicht. Nachdem das Präsidium die diesjährige Wiesn-Bilanz öffentlich präsentiert hatte, setzte @DoraBromberger am Mittwoch einen Tweet ab: "Raubdelikte +700% Sexualdelikte +97,1% Täter meist Iraker, Syrer, Pakistani." Fast alle ihrer 3688 Follower scheinen das in ihren 244 Retweets und etlichen Kommentaren zu glauben.

Die Zahl der Raubdelikte auf der Wiesn ist tatsächlich gestiegen: von einem Fall auf acht. Die absoluten Zahlen verschweigt die angebliche Studentin jedoch, 700 Prozent liest sich spektakulärer. Dass die Steigerung bei den Sexualdelikten vor allem daran liegt, dass die Gesetzeslage deutlich verschärft wurde, erwähnt sie ebenfalls nicht. Und von Irakern, Syrern oder Pakistani findet sich in der Polizei-Bilanz kein Wort.

Das Social-Media-Team des Präsidiums ist überhaupt nicht glücklich darüber, dass unter dem Label "Polizei München" ein irreführender, unterschwellig fremdenfeindlicher und teilweise schlicht falscher Tweet hundertfach geteilt wird, nach Polizeiangaben vor allem von rechten und AfD-nahen Seiten und Kanälen.

Die Polizei geht davon aus, dass @DoraBromberger womöglich ein Fake-Account ist, hinter dem in Wahrheit keine junge Studentin steckt, sondern Rechtspopulisten, die gezielt falsche oder zumindest tendenziöse Nachrichten verbreiten. Auch der Seite tagesschau.de ist der Twitter-Account bereits aufgefallen, als über ihn ein verfälschtes Foto geteilt wurde, das linke Aktivisten diskreditieren sollte. Allerdings zeigte das Bild keine Autonomen, sondern ein Mitglied der Jungen Union.

Ist es ein Fake-Account, wäre die Wahl des Namens laut Polizei eine besonders perfide Geschmacklosigkeit: Dora Bromberger war eine jüdische Malerin, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Sie und ihre Schwester wurden nach Minsk deportiert und 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet. Ein Ermittler ist sich sicher: "Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet dieser Name gewählt wurde."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3696532
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.10.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.