Süddeutsche Zeitung

"Sound of Munich Now":"Ein krasser Hoffnungsschimmer für München"

Lesezeit: 4 min

Die Rückkehr des Festivals "Sound of Munich Now" auf die Bühne ist geglückt. Fans warten trotz Einlass-Stopp vor dem Feierwerk, das Publikum in der Halle feiert die Musik aus München und die Bands genießen die große Zuneigung. Ein Abend, der an Glanzpunkten reich ist - und seine Eskalation erst nach Mitternacht erlangt.

Von Sina Nachtrub und Veronika Tièschky

Und dann fällt sogar das Shirt. Als nach knapp fünf Stunden Nonstop-Unterhaltung junger Münchner Bands Fliegende Haie mit ihrer Show im Feierwerk starten, denkt vermutlich niemand im Publikum, dass der an Glanzpunkten reiche Abend erst noch seine Eskalation erreichen wird. Im positiven Sinn.

Noch lange nach Ende des Festivals grübeln viele Zuhörerinnen und Zuhörer, was sie nun am nachhaltigsten beeindruckt hat bei der Rückkehr des Festivals "Sound of Munich Now" auf die Livebühne. Sind es die östlichen Klänge des Ogaro Ensembles gewesen, der melancholische Charme der Sängerin Malva? Oder doch die elektronischen, punkigen Klänge der FRAUENSTRASSE?

Schon Stunden vor Beginn der Veranstaltung ist eine gewisse Nervosität zu spüren. Wie würde das Publikum auf die Rückkehr von "Sound of Munich Now", veranstaltet vom Feierwerk und der Süddeutschen Zeitung, reagieren? Drei Jahre Pause sind eine lange Zeit. Würden wie vor der Corona-Pandemie wieder junge Menschen in der Schlange stehen, um die Münchner Newcomer-Show nicht zu verpassen? Würde es wieder nach kurzer Zeit zu einem Einlass-Stopp kommen? Würde sich wieder das Stammpublikum auf den Plätzen direkt vor den beiden Bühnen einfinden? Oder würden neue Musikfreunde kommen, die erst jetzt von der etwas anderen München-Show erfahren haben?

"Sound of Munich Now", das bedeutet 20 Bands in fünf Stunden. Im Viertelstundentakt werden Band, Bühne und Genre gewechselt. Wer wegen einer bestimmten Band gekommen ist, wird Fan von neuen Künstlerinnen und Künstler. Mehr als 250 unterschiedliche Münchner Formationen haben hier schon gespielt - und viele Anhänger des Formats haben schon gedacht, dass die Live-Show wegen der Corona-Pandemie ein Ende gefunden hat, zumal das als Ersatz aufgebaute Digitalfestival eine beeindruckende Reichweite erzielt und die Bands nachhaltig unterstützt. Die bislang aufgenommenen Videos wurden auf dem YouTube-Kanal von "Sound Of Munich Now" knapp 120 000 abgespielt.

Viele Fans sind erleichtert, dass das Festival endlich wieder offline stattfindet

Und doch sind die Fans, aber auch die Musikerinnen und Musiker erleichtert, dass das Festival endlich wieder offline stattfindet. Für Blushy AM, eine der auftretenden Künstlerinnen, fühlt sich "Sound of Munich Now" an "wie ein großes Klassentreffen der Münchner Künstlerinnen. Ein optimaler Ort zum Vernetzen."

Neben den Liveshows werden in diesem Jahr zusätzlich Videos gedreht - auch Dank der Unterstützung vom Kulturreferat der Stadt München und dem Jugendkulturwerk. Regie führt Marcel Chylla von der Videocrew Ideal Entertainment. Er hebt hervor, dass die Rückkehr zu Live-Auftritten zwar spannungsreicher, aber auch mit Herausforderungen verbunden ist: "Konzertbesucher fallen manchmal über Kabel oder stoßen während der Aufnahme an Kameras", sagt er. "Das sind Gefahren, die wir in den Jahren, als ,Sound of Munich Now' online stattgefunden hat, nicht einbeziehen mussten. Trotzdem ist die Stimmung nur mit den Gästen ein echtes und einmaliges Erlebnis."

Und diese Stimmung - Erleichterung bei den Veranstaltern - ist bereits bei der ersten Band zu spüren. In einem schummrigen Lichtkegel vor der Bühne stehen junge Menschen mit weißen T-Shirts mit buntem Schriftzug. Die Band wurde noch gar nicht angekündigt, trotzdem ist klar, wer spielt - die bunten Buchstaben auf den T-Shirts der Fans verraten es: Raketenumschau. Die Vorfreude auf die erste Band des Abends ist spürbar, ein Augsburger Student schwärmt: "Ich habe Raketenumschau zum ersten Mal in Augsburg gesehen und bin seitdem einer ihrer größten Fans. Ich fahre regelmäßig ihren Konzerten hinterher."

Die Schlange vor dem Feierwerk wächst. Zunächst gibt es nur einen Einlass-Stopp vor der Konzerthalle Hansa39, eine halbe Stunde später für das gesamte Feierwerk. Und alle, die einen Platz vor den Bühnen gefunden haben, sind begeistert. "Ich bin zum ersten Mal beim Sound of Munich Now. Eine Mitbewohnerin von mir hat mir davon erzählt. Ich finde das Konzept voll spannend: Keine Pause, es ist immer was los - so bekommt man richtig viel mit aus München", sagt Maxim, 21. "Wieder mal ist mir gezeigt worden, wie viele vielseitige, authentische und talentierte Musikerinnen und Musiker in der Stadt leben! Sound of Munich Now ist ein krasser Hoffnungsschimmer für München als Musikstadt", schwärmt eine andere Festivalgängerin. Max, der mit seiner Band "Endlich Rudern" vor der Pandemie bei diesem Festival spielte, ist auch voll des Lobes. "Ich finde es krass, wie sich die Szene weiterentwickelt. Besonders im Underground sind richtig viele interessante Bands nachgekommen."

Die Stimmung in der Konzerthalle ist ausgelassen, viele Zuschauer filmen die Auftritte mit, freuen sich über die Konzerte, verfolgen das Geschehen mit einem Lächeln im Gesicht. "Es ist cool, auf diese Art neue und unbekanntere Münchner Bands zu finden. So lernt man seine Stadt nochmal von einer anderen Seite kennen", sagt etwa Sophia, 29. "Das Format ist sehr spannend, viele unterschiedliche Eindrücke, Musikstile. Alle Bands hatten eine sehr gute Energie in ihren 15 Minuten, so hat die Abwechslung Spaß gemacht", sagt Fabian, 24. "Ich hatte im Voraus Bedenken, dass bei all den Wechseln keine Band im Gedächtnis bleibt, aber das taten sie alle." Und durch den Genrewechsel ist für alle was dabei. "Ich habe mich extrem über Inlier gefreut", sagt Augusto, 22. "München hat so gute New-Metal- und Hard-Rock-Bands, die bekommen sonst viel zu wenig Aufmerksamkeit. Die hier zu hören, war einfach Hammer."

Und so hat jede Zuhörerin, jeder Zuhörer einen ganz besonderen musikalischen Höhepunkt. Eine 15-Minuten-Show, die an diesem Abend nicht zu überbieten sein wird. Der Auftritt von Kokonelle etwa, die Rapperin und Aktivistin ist und starke Beats mit starken Botschaften kombiniert. Oder das Konzert von INLIER, die mit ihrer Mischung aus Elektro und Metal das Publikum zum Springen bringt.

Bis nach knapp fünf Stunden Kristina Paulini und Jan König die Bühne betreten. Sie sind die Fliegende Haie, sehr treibend, sehr beatlastig ist ihr Sharp Electro Pop, das Publikum tanzt ausgelassen. "Haidy" heißt der Song, eine bissige Abrechnung mit der Fernsehshow "Germany's Next Topmodel". Mit jeder Strophe entledigen sich die beiden Musiker ihrer Klamotten, bis sie nur noch in knappen silberfarbenen Shorts auf der Bühne stehen. Dann fällt auch noch das Shirt. Die Brustwarzen sind abgeklebt. München als Musikstadt lebt. Atmet. Pulsiert.

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