Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Schüler protestieren gegen "Mama-Taxis"

Lesezeit: 3 min

Von Jakob Wetzel

Es ist nass und kalt, sie sind von Autofahrern bedrängt und beleidigt worden, und sie riskieren mit ihrem Protest eine Anzeige. Aber lockerlassen wollen sie nicht. Seit drei Wochen demonstrieren Schülerinnen und Schüler vor der Waldorfschule in Daglfing für mehr Klimaschutz, nicht nur freitags wie bei den "Fridays for future"-Kundgebungen, sondern täglich, und auch nicht während der Schulzeit, sondern morgens vor Unterrichtsbeginn.

Zuletzt blockierten sie den Parkplatz vor der Schule, um ihre Mitschüler dazu zu bringen, S-Bahn zu fahren, statt sich mit dem Auto bringen zu lassen - so lange, bis die Schule den Protest unterband. Jetzt sind sie noch zu fünft. Statt Pappschildern mit Aufschriften wie "SUV nein danke" oder auch "Keine Lust auf die S-Bahn? Aber wir haben Lust auf die Zukunft!" tragen sie ein Transparent mit "Engagement unerwünscht". Und statt sich in die Einfahrt zu stellen, stehen sie nun eben am Straßenrand.

"Stress haben wir eh schon", sagt Mia; die 15-Jährige geht in die neunte Klasse der Rudolf-Steiner-Schule, und sie will weiter demonstrieren. Der Widerstand sei für sie ein Grund, erst recht hartnäckig zu sein. Denn der Klimawandel lasse sich nicht aussitzen. "Es ist ernst", sagt sie. "Weitermachen wie bisher ist keine Option."

Angefangen hat der Daglfinger Protest auf der Schülerdemonstration für den Klimaschutz am 18. Januar. Die Waldorf-Schule habe da noch ein Auge zugedrückt und wohl gehofft, dass es bei der einen Kundgebung bleibe, erzählt Mia. Am Montag darauf überlegte ihre Klasse dann, wie man sich weiter engagieren könne, ohne dabei die Schule zu schwänzen. Dabei geriet der Parkplatz in den Blick: Der Verkehr dort sei sowieso ein Problem, sagt Mia. Denn der Platz ist eng, und wenn große Autos rangieren, sei das gerade für jüngere Kinder gefährlich.

"Von manchen Schülern wissen wir, dass sie anders kommen könnten. Sie fahren aber trotzdem mit dem Mama-Taxi. Das ist komplett unnötig." Also malten die Schüler Transparente, standen früher auf als sonst, zogen Warnwesten an und stellten sich in die Einfahrt. Anfangs machten nur Schüler aus Mias Klasse mit, dann kamen andere dazu, am Ende waren sie etwa 15. Bis die Schule einschritt.

Es habe nicht nur Beschwerden gegeben, sondern auch gefährliche Situationen, heißt es vom Vorstand des Schulträgers, des Rudolf-Steiner-Schulvereins. Es habe lange Staus gegeben, auch Busse seien nicht mehr durchgekommen, und manche Eltern hätten ihre Kinder am Straßenrand aussteigen lassen, damit sei niemandem geholfen. Die Zufahrt bräuchten auch Kleinbusse, die Schüler zur heilpädagogischen Friedel-Eder-Schule nebenan fahren; diese Schüler sind auf den Transfer angewiesen. Und die Rudolf-Steiner-Schule sei keine Sprengelschule. Viele Kinder hätten deshalb einen sehr langen Schulweg - was Mia freilich nicht gelten lässt. Sie wohne selber außerhalb, trotzdem fahre sie S-Bahn, sagt sie. Jeden Tag stehe sie um sechs Uhr auf. Für den Protest stellt sie den Wecker jetzt sogar auf 5.30 Uhr.

Auf der Straße hätten einige Eltern Verständnis gezeigt, erzählt Mia. Manche hätten beteuert, im Sommer Fahrrad zu fahren. Andere aber seien ausgestiegen und hätten sie beschimpft, vor allen Kindern. "Manche haben durchgehend die Hupe gedrückt. Und manche sind langsam auf uns zu gefahren und fast über unsere Füße gerollt, bis wir auf die Seite gegangen sind." Sie hätten sich die Nummernschilder dieser Autos aufgeschrieben.

Von den Reaktionen in der Schule sei sie eigentlich enttäuscht, sagt Mia. Bei etwa 700 Schülerinnen und Schülern seien 15 Engagierte recht wenig. Viele Mitschüler würden sie ignorieren, andere hätten zwar Sympathien, scheuten aber das Risiko. Im Unterricht hat sich ihre Klasse zuletzt mit Kommentaren beschäftigt, die Nutzer online zu Berichten über ihren Protest geschrieben haben. Einige davon bestärken die Schüler. Andere sind kritisch. Und manche schrieben, dass sie Besserwisser seien, die wohl selber von ihren Eltern im SUV zum Protest gefahren würden.

Am Donnerstag unterband schließlich ein Lehrer, der auch im Vorstand des Vereins sitzt, die Parkplatz-Blockade: Die Aktion müsse angemeldet werden, sonst gebe es Anzeigen, sagte er. Die Schüler zogen ab, vorerst. An der Anmeldung seien sie dran, sagt Mia. Doch das brauche etwas Vorlauf. Bis dahin wollen sie morgens eben neben der Straße stehen - obwohl sie das eigentlich ebenfalls anmelden müssten. Ans Aufhören denken sie nicht.

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SZ vom 12.02.2019
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