Süddeutsche Zeitung

Tobias Thalhammer:Der FDP-Politiker, der den Schlager nach Polen brachte

Lesezeit: 5 min

2014 flog Tobias Thalhammer aus dem Landtag. Seither setzt der 37-Jährige auf Schlager - und tritt damit einmal pro Woche im polnischen Fernsehen auf.

Von Martin Mühlfenzl

Der zierliche blonde Bub packt sein Keyboard unter den Arm und marschiert los in den Westpark. Melodie und Text seines Songs hat er natürlich im Kopf - es ist ein politisches Lied, ein Stück komponiert und geschrieben für die Kinder von Tschernobyl. Fünf Jahre ist die Nuklearkatastrophe zu diesem Zeitpunkt her. Sie hat aus dem 12-jährigen Münchner Buben einen politisch denkenden Menschen gemacht. Und der ist Tobias Thalhammer auch heute noch. Ein singender Politiker.

Mit dem Produzenten Peter Beil nimmt er seine erste Maxi-CD auf

Doch zurück ins Jahr 1991, in den Münchner Westpark. Mit seinem Keyboard stellt sich der Toby, so nennen ihn alle, bei den Organisatoren des Open-Air-Konzerts für die Kinder von Tschernobyl vor und fragt ganz ungeniert, ob er nicht seinen Song vortragen dürfe. Er darf - und dann geht alles ganz schnell: Eine Redakteurin des Kinder-Nachrichtenmagazins Logo, das damals noch im ZDF läuft, wird auf den selbstbewussten Buben aufmerksam, eine Woche später steht sie bei ihm mit ihrem Logo-Mobil vor der Haustür - und noch einmal ein paar Tage danach singt der Zwölfjährige im Fernsehen.

Die Sendung wiederum sieht der Produzent und Sänger Peter Beil, eine Ikone des Deutschen Schlagers, der mit "Corinna, Corinna" in den Schlagerhimmel aufgestiegen ist. "Mit ihm habe ich dann noch vor dem Stimmbruch meine erste Maxi-CD aufgenommen", sagt Thalhammer. "Er hat mir den Weg geebnet." Mit dem passenden Titel: "Träumen ist nicht verboten."

Es ist aber auch ein Leben mit Umwegen. Denn noch ist immer nicht ganz klar, ob der heute 37-jährige Thalhammer eher Politiker oder doch Schlagersänger ist. Momentan läuft die Karriere am Mikrofon wieder etwas besser an. Die als politisch Gestaltender fand ja - zumindest vorübergehend - 2014 ein Ende. Da flog die FDP und mit ihr der Landtagsabgeordnete Thalhammer aus dem Maximilianeum, in das er bei der Wahl 2008 als Abgeordneter des Landkreises eingezogen war.

In Neubiberg veranstaltet er jedes Jahr ein Entenrennen

Musik aber habe er eigentlich schon immer gemacht, sagt Thalhammer. Im einfachen Blazer, schlichtes blaues Hemd sitzt er auf der Eckbank in seinem Stammlokal Paradiesgarten in Unterbiberg. Hier im Paradies und dem Neubiberger Ortsteil ist er zu Hause. Draußen fließt der idyllische Hachinger Bach vorbei.

Genau dort veranstaltet der Liberale, der im Gemeinderat sitzt, einmal im Jahr das Entenrennen - Hunderte kleine Quietschentchen schippern dann auf dem Bach gen Norden. Ein Volksfest vor allem für die Kleinen. Auch FDP-Politiker können volkstümlich sein - und den Toby kennt hier eh jeder.

Dass er auch auf der politischen Bühne zu Hause ist, weiß in Polen - Thalhammers mittlerweile zweiter Heimat - indes kaum jemand. Dort ist er der Deutsche, der den Schlager mitgebracht hat. 2003 war das. Zwei Jahre nachdem er in Deutschland sein Album "Hallo, ich bin Toby" auf den Markt gebracht hatte, ging er ins Nachbarland. Thalhammer wollte für sein BWL-Studium unbedingt ein Praktikum in Osteuropa machen und fand eine Stelle bei einem öffentlich-rechtlichen TV-Sender in Oppeln.

Aus dem Praktikanten wird ein Sänger

"Mir war wichtig, dass ich für ein paar Monate in ein Land gehe, wo viel im Umbruch und im Aufbau ist", sagt er. "Und ich wollte was Neues entdecken. Ich kannte ja weder das Land noch die Sprache."

In der Redaktion des Senders sprach sich trotz manch sprachlicher Barrieren schnell rum, dass der neue Praktikant auch Sänger ist - mit einem Stil, den dort kaum jemand kannte. "Schlager? In Polen gab es eigentlich nur echte Volksmusik und Elektrosound", sagt Thalhammer. "Meine Kollegen waren neugierig und haben mich gefragt, ob ich nicht bei einem Konzert des Senders auftreten würde. Das habe ich dann gemacht."

Es gehört wohl zur seiner Geschichte, dass er manche Dinge einfach macht. Mit seinem ersten Auftritt in Polen im Eichendorff-Zentrum in Lubowitz schlägt er wieder einen neuen Weg ein. "Der kam super an bei den Leuten, obwohl ich auf Deutsch gesungen habe", sagt Thalhammer. Als er nach seinem zweimonatigen Praktikum zurück nach Deutschland kommt, habe er binnen weniger Tage "30 Anfragen von Bürgermeister, Vereinen und Gemeinden" gehabt: "Die wollten alle, dass ich auf ihren Festen auftrete."

Was also macht der BWL-Student? Klar, er gründet seine eigene Firma, vermarktet sich selbst - und gibt Konzerte als "Toby z Monachium", der Toby aus München. Die Firma, Piosenka Plus, mit Sitz in Oppeln und Thalhammer als Geschäftsführer, ist heute eine GmbH, vertritt Künstler in Osteuropa und organisiert Konzerte.

Er sollte eine "männliche Blümchen" werden

Thalhammer nahm im Lauf der Zeit auch Polnischunterricht. Heute spricht er die Sprache ganz passabel - und er singt sie auch. "Jesteś szalona" heißt einer seiner bekanntesten Songs, übersetzt: "Du bist der Wahnsinn." Aber er ist sich und seiner Muttersprache treu geblieben. Auf der Bühne ist er immer zweisprachig unterwegs.

Tobias Thalhammer hat gleich drei musikalische Karrieren hingelegt. Die als Jugendlicher, die ein Ende fand, als seine Berater und Produzenten nach seinem Stimmbruch versuchten, aus ihm "eine männliche Blümchen" zu machen, wie er selbst sagt: "Also eine Elektroversion von Toby. Das war ein strategischer Fehler. Ich bin eher ein Sänger des melodiösen Schlagers."

Nach Abitur und Studium kam die zweite Laufbahn als Schlager-Entwicklungshelfer in Polen bis zum Jahr 2007, ehe der Wahlkampf begann - und dann seine Wiederauferstehung nach der krachenden Pleite bei der Landtagswahl 2014. "Es war schwer, in Polen wieder Fuß zu fassen. Ich muss auch heute noch kämpfen", sagt Thalhammer. "Schlager ist heute populär, die Konkurrenz groß. Vor allem in Schlesien, aber auch in den großen Städten."

Auftritte vor mehr als 9000 Zuschauern

In Breslau, wo er unlängst in der Jahrhunderthalle vor mehr als 9000 Zuschauern auftrat; auch in Warschau. Dort sang Thalhammer vor zwei Wochen vor mehr als 6000 im Kulturpalast, einem der Wahrzeichen der Stadt, erbaut im Zuckerbäckerstil des sozialistischen Klassizismus. "Das war bisher eines der beeindruckendsten Erlebnisse: Vor allem, weil es gerade um das deutsch-polnische Verhältnis nicht so gut steht", sagt er. "Gerade dort, im Herzen Warschaus, auf Deutsch zu singen und dafür Applaus zu bekommen, hat mich tief beeindruckt."

Er versteht sich als Botschafter: "Lieder ohne Grenzen" heißt die Tournee-Reihe die er in Schlesien veranstaltet; dort ist schon gemeinsam mit dem deutschen Barden Heino aufgetreten. Seit September 2015 ist er jeden Samstag in der TV-Sendung "Szlagierowa Biesiada" zu sehen - dort stellt er dem Publikum jeweils einen deutschen Schlagerstar vor. Mittlerweile hat der Sender TVS Toby z Monachium, der in Polen den Gold-Status bei verkauften Alben besitzt, sogar eine eigene Sendung angeboten. Aber er wird wohl ablehnen.

Von der CSU kommen schon mal Sprüche

Denn Thalhammer plant nebenher sein politisches Comeback. Er hat die Landtagswahl 2018 fest im Blick und sagt zunächst etwas verklausuliert: "Ich will helfen, dass die FDP dann wieder Erfolg hat." Als er selbst merkt, dass das die typischen Worte des Politprofis sind, sagt er: "Ich werde antreten."

Was dann aus der Musikkarriere wird? "Ganz ohne werde ich nicht auskommen. Die Firma muss weiterlaufen. Und ich werde weiter singen." Und er wird Polen treu bleiben, wo der Schlager auch durch ihn erst angekommen ist.

Hier in Deutschland ist das etwas anders. Da kann es schon mal passieren, dass ein etwas hemdsärmliger CSU-Kreisrat den Liberalen Thalhammer nach dessen Wortmeldung im Sitzungssaal im Landratsamt am Mariahilfplatz anblafft: "Alles, aber bloß ned singen!"

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Quelle:
SZ vom 03.02.2016
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