Süddeutsche Zeitung

Schießerei in Geltendorf:Der Tote war wohl ein gesuchter Serienräuber

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Der Verdächtige, der bei einem Schusswechsel mit der Polizei im oberbayerischen Geltendorf ums Leben kam, ist wohl der schon lange gesuchte "Waldläufer". Weil er sechs Revolver und einige selbst gebastelte Sprengkörper bei sich trug, musste ein Spezialroboter anrücken.

Von Gerhard Eisenkolb

Bei einem Schusswechsel mit zwei Polizisten ist am Samstagmittag ein vermutlich 49 Jahre alter Mann in einem Wald bei Geltendorf getötet worden. Bei dem Einsatz wurde auch ein 43 Jahre alter Polizeihauptwachtmeister von Projektilen verletzt. Rettungskräfte brachten den Beamten mit einem Hubschrauber in eine Klinik. Der Verletzte hatte jedoch Glück. Seine Schutzweste rettete ihm möglicherweise das Leben. Wegen der Schutzkleidung soll er vor allem Blutergüsse und wohl keine inneren Verletzungen davongetragen haben.

Bei dem Getöteten handelt es sich vermutlich um den sogenannten Waldläufer. Dieser bewaffnete Serienräuber hatte seit dem Februar 2010 wiederholt Tankstellen und Geschäfte in den Landkreisen Landsberg, Starnberg und Fürstenfeldbruck überfallen. Der Täter floh nach den Überfällen, bei denen er nur insgesamt knapp 5000 Euro erbeutete, wiederholt zu Fuß in Wälder. Auf der Flucht hatte er schon früher gezielt auf seine Verfolger geschossen und dabei einen Mann ins Bein getroffen.

Der mutmaßliche Serientäter wurde am späten Samstagvormittag von einem Waldarbeiter wegen seines verdächtigen Fahrzeugs entdeckt. Dem Arbeiter fiel der im Gehölz neben einem Weg versteckt abgestellte ältere Mitsubishi Colt auf, weil er mit einem gefälschten Bundeswehrkennzeichen und einem Blaulicht auf dem Dach ausgerüstet war. Diese Beobachtung meldete er der Landsberger Inspektion. Diese beorderte einen Streifenwagen zu dem auffälligen Fahrzeug. Der verdächtige Wagen stand mitten im dichten Wald, etwa einen Kilometer vom Heuweg in Geltendorf entfernt. Der Heuweg geht unmittelbar nach der Bebauung in einem Fußweg über, der nach Kaltenberg führt.

Der Verdächtige soll sofort tot gewesen sein

Als die Streife vorfuhr, der 43 Jahre alte Polizeihauptwachtmeister ausstieg und den Verdächtigen neben der Fahrertür ansprach, eröffnete dieser unvermittelt das Feuer. Bei diesem Gefecht starb der am Sonntagnachmittag noch nicht identifizierte Tote an einer Schussverletzung. Er soll nach dem Treffer sofort tot gewesen sein. Allerdings wurde diese Information der SZ nicht von offizieller Seite bestätigt.

An dem tödlichen Einsatz war auch ein 19 Jahre alter Polizist beteiligt, der sich noch in der Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei befindet. Obwohl der junge Mann zurzeit ein dreimonatiges Praktikum bei der Landsberger Inspektion absolviert, begleitete er den Hauptwachtmeister in Uniform als "vollwertiger Streifenkollege". Das sei üblich und nicht außergewöhnlich, erklärte am Sonntag ein Polizeisprecher. Der junge Polizist blieb unverletzt, wurde aber psychologisch betreut.

Hans-Peter Kammerer, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, bescheinigte dem 19 Jahre alten Kollegen ein umsichtiges Verhalten. Er habe vor allem dazu beigetragen, dass der Waldarbeiter aus Geltendorf und ein Jogger nicht in den Schusswechsel gerieten. Spaziergänger seien zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen.

Im Fahrzeug und bei dem Toten fanden die Ermittler sechs Revolver, unzählige Kanonenschläge sowie einige selbst gebastelte Feuerwerks- oder Sprengkörper. Wegen dieses Arsenals und der Befürchtung, der Mann könnte womöglich einen Sprengstoffgürtel und eine scharfe Handgranate bei sich tragen, dauerte es Stunden, bis die Spurensicherung und Beamte der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck den Tatort untersuchen konnten. Die Kriminalisten näherten sich erst dem Toten und dessen Fahrzeug, nachdem eine technische Sondereinheit Entwarnung gegeben hatte. Diese steuerte zuvor einen Spezialroboter an den Tatort. Wegen des Waldbodens sei das ein schwieriges, langwieriges Unterfangen gewesen, sagte Kammerer.

Polizei findet weitere Waffen in der Wohnung des Verdächtigen

Noch während der Spurensicherung am Tatort rechtfertigte die Polizei die Entsendung von nur einem Streifenwagen zu dem verdächtigen Fahrzeug. Eine solche Mitteilung gelte als "eher harmlos". Sie lasse vor allem nicht die Vermutung zu, dass unvermittelt auf Beamte geschossen werde. Wie es am Sonntag hieß, gingen solche Hinweise auf verdächtige Fahrzeuge in Wäldern regelmäßig bei Polizeiinspektionen ein. Deshalb gelten solche Kontrollen als Routineangelegenheit.

Als Halter des Fahrzeugs wurde ein 49-jähriger Mann aus dem Kreis Fürstenfeldbruck ermittelt. Dessen Wohnung in Türkenfeld durchsuchte die Kriminalpolizei noch am Samstag. Dabei stießen die Beamten auf weitere Waffen und Gegenstände, die darauf hindeuten, dass es sich bei dem 49-Jährigen um den "Waldläufer" handeln könnte. Die Polizei gab sich trotzdem auch am Sonntagabend noch zurückhaltend: Ob der Fahrzeughalter und der Tote ein und dieselbe Person seien, sei nicht mit letzter Sicherheit geklärt, hieß es.

Schon seit Herbst 2012 fahndet eine Ermittlungsgruppe nach dem "Waldläufer". Der Serientäter trug bei seinen Taten stets einen olivgrünen Tarnanzug und eine Motorrad-Sturmhaube über dem Gesicht. Die Kleidung des am Samstag Getöten und die Aggressivität seines Vorgehens gelten in Ermittlungskreisen als Hinweise darauf, dass es sich bei dem Mann um den Waldläufer handeln könnte. Neben einem auffälligen Tarnanzug, wie ihn der "Waldläufer" trug, hatte er noch einen Bundeswehr-Parka an. Eine weitere wichtige Parallele: Alle Überfälle wurden in der Umgebung von Geltendorf und Türkenfeld verübt.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2013
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