Süddeutsche Zeitung

Hip-Hop-Konzerte in München:Die Angst vor der Selbst-Enttäuschung

Lesezeit: 3 min

Diese Hip-Hop Aufsteiger haben an Hits von Stars wie Ski Aggu, "BTS", Luciano oder Udo Lindenberg mitgewirkt. Jetzt starten Ritter Lean, Chris James, Paula Hartmann und Baby Joy selber durch.

Von Johanna Schlemmer

Sich einen Namen in der Musikszene zu machen, ist ein harter Kampf, der viel Ausdauer benötigt. Unendliche viele Konkurrenten, die das gleiche Ziel verfolgen: mit ihrer Leidenschaft ihr Leben finanzieren zu können. Gerade die streitlustige Hip-Hop-Szene ist jedoch bekannt dafür, dass sich ihre Protagonisten gegenseitig unterstützen.

"Aggu hat mir den Namen gegeben", erzählt der Rapper Ritter Lean - mit bürgerlichem Namen Adrian Julius Tillmann. Mit Aggu meint er Ski Aggu. Ritter Lean war es, der seinen besten Freund überredet hat, überhaupt Musik zu veröffentlichen. Jetzt zählt Ski Aggu, der Dandy mit der Skibrille, zu den Überfliegern der deutschen Szene. Und er ist seinem Kumpel Ritter Lean dankbar dafür. "Als Kind habe ich sehr viel Ritalin genommen. Ich war wegen ADHS über acht Jahre hinweg in Behandlung", so erklärt Ritter Lean das Wortspiel um seinen Rapper-Namen. Mit seiner "Verschreibungspflichtigen Tour 2024" steht Ritter Lean nun selbst auf der Bühne.

Fünf Wochen Arbeit, elf Tage unterwegs, neun Konzerte, zwei Tage frei. Obwohl er schon immer wusste, dass er sich auf der Bühne wohlfühlt, spürt er gerade den Druck und Angst, seine Zuhörer zu enttäuschen. "Ich bin mega aufgeregt, weil es so viel Verantwortung ist, vor teilweise 600 bis 700 Leuten zu stehen, die alle extra deinetwegen da sind und Geld ausgegeben haben", erklärt der Berliner Musiker.

Alles hat während Corona angefangen. Tillmann sehnte sich nach Unabhängigkeit. Die Lösung? Er brachte sich das Klavierspielen selbst bei und produzierte seine ersten eigenen Songs. Nur die Angst hielt ihn davon ab, die Tracks zu veröffentlichen.

Vor elf Monaten hat er dann mit seiner ersten Single "Einsame Insel" die Kunstfigur Ritter Lean ins Leben gerufen. Niemals habe er gedacht, dass er mit so persönlichen Themen eine so große Menge begeistern kann. Die fast 500 000 Zuhörer auf Spotify sprechen eine andere Sprache und lassen die letzten Zweifel verschwinden.

Seine Musik zeigt beide Seiten seiner Persönlichkeit. Mit Songs wie "Fliegenpilz" offenbart Ritter Lean seine Gefühle und wirkt nahbar und verletzlich. Die bald erscheinende Single "Todeshigh" motiviert Ritter Lean, "krass" auf die Bühne zu gehen, weil der Song zum "Ausrasten" gemacht ist.

"Ich mache Musik, um Leute zu berühren und zu zeigen, dass es vollkommen ok ist und ermutigt werden sollte, dass Menschen weinen, dass Menschen traurig sind und dass Menschen über ihre Gefühle reden", so Tillmann. Er sagt, er mache "Indie-Pop", die Herkunft aus dem Hip-Hop ist aber unüberhörbar. Früher habe er selbst seine Emotionen mit Arroganz überspielt und auf "dicke Hose" gemacht. Davon merkt man heute nichts mehr. In die Handy-Kamera blickt ein bodenständiger, sensibler junger Mann mit viel Gefühl und Tiefgang.

Noch weitere Künstler verfolgen jetzt (wieder) ihre Karriere, nachdem sie anderen Musikern zum Erfolg halfen. Zum Beispiel kommt der Sänger Chris James bald in den Münchner Club Milla (26. Januar). Als Chris Brenner begann er 2014 seine Karriere. Mit seiner damaligen Musiker-WG veröffentlichte er "Before We Fall". Darauf folgten weitere Singles und ein Youtube-Kanal mit Cover-Versionen. Davon verabschiedete er sich 2018.

In dieser Umbruchphase hat er nicht nur seine erste eigene Single "I Know You Can Dance" unter seinem jetzigen Künstlernamen Chris James veröffentlicht. Sondern er hat auch den Song "Life Goes On" für die südkoreanischen Boyband-Weltstars BTS mitgeschrieben. Vergangenes Jahr arbeitete er mit Größen wie dem Rap-Spitzenreiter Apache 207 und Udo Lindenberg zusammen. Er war Mitautor vom Hit "Komet", der 21 Wochen an der Spitze der offiziellen deutschen Charts stand.

Auch die 22-jährige Paula Hartmann ist so eine Newcomerin, die durchaus schon einen Namen hat. Die vielseitige Berlinerin spielte zuerst in Film und Fernsehen (etwa mit Matthias Schweighöfer und Julie Delpy), aber sie arbeitete auch bereits mit dem Rapper Luciano beim Song "Passion" zusammen und nahm "Kein Happy End" gemeinsam mit Casper auf. Jetzt geht sie mit ihrem neuen Album "kleine Feuer", das am 8. März erscheint, auf Tour - und füllt mit ihren melancholischen Songs selbst schon die größeren Hallen, wie am 17. April das Zenith.

Ihren eigenen Weg durch die Musikszene bahnt sich jetzt auch Baby Joy, die Schwester des Rappers Pablo. Er ist Teil der Berliner Hip-Hop-Gruppe BHZ. Von Schüchternheit ist in ihren Musikvideos nichts zu sehen. Auch ihre Songtexte sind klar, wenn sie in "Berlin ist nicht Venedig" singt: "Berlin ist nicht für ewig, ja / Ich mag dich auch mit wenig". Mit ihrer gleichnamigen Tour kommt die Künstlerin am 12. April in die Milla.

Ritter Lean, 23. Januar, 20 Uhr, Feierwerk, eventim.de

Chris James, 26. Januar, 19 Uhr, Milla Club, milla-club.de/chris-james-2/

Paula Hartmann, 17.April, 20 Uhr, Zenith, eventim.de

Baby Joy, 12.April, 19 Uhr, Milla Club, milla-club.de/babyjoy/

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.6335579
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.