Süddeutsche Zeitung

Oper:Ausgezeichnet intensiv

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Opernfestspiele: Nach dem letzten Ton von Strauss' "Salome" werden Marlis Petersen und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke zu Bayerischen Kammersängern erhoben. Ebenfalls geehrt werden Nikolaus Bachler und Kirill Petrenko.

Von Paul Schäufele, München

"Man töte dieses Weib!", ein paar Paukenschläge, Vorhang. So prägnant endet normalerweise "Salome", Richard Strauss' Musikdrama um unerfülltes Begehren, ungesunde Familienkonstellationen und religiösen Streit. Doch an diesem Abend der Opernfestspiele folgt noch eine kleine Zeremonie. Der scheidende Staatsintendant Nikolaus Bachler und Staatsminister Bernd Sibler betreten die halb zerfallene Talmudschulenbibliothek (Bühne: Małgorzata Szczęśniak), in der gerade noch Johannes der Täufer geköpft wurde.

Sie haben Urkunden bei sich, denn von nun an dürfen sich Marlis Petersen und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke Bayerische Kammersängerin und Bayerischer Kammersänger nennen. Obwohl sie nicht singen, aber trotzdem sehr gut sind, bekommen auch Bachler und Kirill Petrenko vom Minister eine (seltene) Auszeichnung. Sie sind jetzt Ehrenmitglieder der Staatsoper. Wahrscheinlich wäre wirklich keine Aufführung besser geeignet gewesen, dieses Geehrten-Quartett in einem Aufwasch zu küren.

Marlis Petersen erlaubt ihrer Salome eine Alternative zum Femme-fatale-Dasein

Nikolaus Bachler, unter anderem, weil er solche Inszenierungen wie diese von Krzysztof Warlikowski ermöglicht; Herodes' Hofstaat wird hier zu einer jüdischen Festgesellschaft vor der Deportation durch die Nazis, einer Gemeinschaft der Angst, in der ein zerstörerischer Eros den Tod zum Tanz einlädt. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, weil er seinen pointierten Charaktertenor nicht dazu nutzt, Herodes zur Karikatur zu machen, sondern auch diese Figur kritisch befragt und (im Zusammenspiel mit der wunderbaren Michaela Schuster) zum hypersensiblen, wenn auch schlecht urteilenden Patriarchen macht. Marlis Petersen, weil ihre umwerfende Künstlerpersönlichkeit Salome eine Alternative zum Femme-fatale-Dasein erlaubt.

Ihre Prinzessin ist eine junge Frau, die einmal echt gesehen, das heißt: geliebt werden möchte und dabei stimmlich virtuos zwischen Hitze- und Kälte-Pol changiert, woran Wolfgang Kochs bisweilen liedhaft intim agierender Jochanaan nicht unschuldig ist. Und schließlich Kirill Petrenko, weil nur wenige Dirigenten den Affekthaushalt des Münchner Publikums so zuverlässig in Aufruhr bringen. Dass er mit seinem philologisch präzisen, Farbwunder erzeugenden Dirigat ungehörte Schätze aus der Partitur hebt, kommt noch hinzu.

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