Süddeutsche Zeitung

Rechte Szene:Reichsbürger-Propaganda in Münchner Briefkästen

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Das Blatt und seine Macher kommen aus Mecklenburg-Vorpommern und sind dem dortigen Verfassungsschutz bekannt. In München wurden jedoch bislang keine Ermittlungen aufgenommen.

Eine vom Verfassungsschutz beobachtete Reichsbürger-Postille ist jüngst in München aufgetaucht. Eine SZ-Leserin aus dem Münchner Stadtteil Harlaching berichtete, dass das Blatt namens "Volldraht" ihr und ihren Nachbarn in die Briefkästen gesteckt worden sei: "Reichsbürgerpropaganda von der allerschlimmsten Sorte", wie sie sagt.

"Sehr bedenklich", findet die Münchnerin das. Ob das Propagandablatt juristisch angreifbar sei, könne sie freilich nicht beurteilen. Vielleicht, so ihre Hoffnung, wisse ja der Staatsschutz mehr, das Dezernat der Münchner Kriminalpolizei für politisch motivierte Straftaten. "Die Zeitschrift ist im Bereich des Polizeipräsidiums München bislang nicht bekannt", ist jedoch aus der Pressestelle der Polizei zu erfahren.

Neben den für die Reichsbürger-Szene typischen wirren pseudo-juristischen Behauptungen zum angeblichen Fortbestand des Deutschen Reichs ("ewiger Bund") enthält die in München verteilte "Sonderausgabe" des Druckwerks mehrere eng bedruckte Seiten, auf denen der russische Außenminister Sergej Lawrow den brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigen darf. Außerdem werden geschichtsrevisionistische Thesen mit antisemitischem Tenor verbreitet sowie die NS-Terrorherrschaft relativiert und mit der Bundesrepublik gleichgesetzt.

Eine Internet-Recherche zeigt: Das Blatt ist den Sicherheitsbehörden bekannt - allerdings aus Mecklenburg-Vorpommern. Der dortige Landesverfassungsschutz kennt fünf Aktivisten aus dem Raum Rostock-Güstrow, die unter dem Label "Volldraht" bundesweit agitieren. Das Blatt und seine Macher werden von den Verfassungsschützern der verschwörungsideologischen Reichsbürger-Szene zugerechnet.

Angeblich soll das jetzt auch in München verteilte Blatt eine Auflage von 300 000 Exemplaren haben. Nach Recherchen des in Neubrandenburg erscheinenden Nordkuriers teilte der verantwortliche Redakteur des Propagandablatts in sozialen Netzwerken Postings eines bundesweit bekannten Neonazis und versprach im Namen seiner Zeitung, dass er Seile und Holz spendieren wolle, um Galgen für deutsche Regierungsmitglieder zu bauen.

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