Süddeutsche Zeitung

Radfahren in München:Vorfahrtsberechtigt, aber tot

Lesezeit: 1 min

Unaufmerksame Rechtsabbieger sind eine tödliche Gefahr für Radfahrer. Besonders kritische Ecken sollen entschärft werden - gut so! Aber das reicht noch nicht.

Kommentar von Martin Bernstein

Der Albtraum eines jeden Radfahrers - und vielleicht noch mehr von Eltern, die zu Hause darauf warten, dass ihre radelnden Sprösslinge wohlbehalten aus der Schule zurückkommen: Ein Lastwagen biegt rechts ab, der Fahrer hat alle vorgeschriebenen Spiegel und schaut auch hinein, der Brummi fährt ganz langsam um die Ecke - und erfasst doch den Radler, der dort gerade im toten Winkel unterwegs ist. Vorfahrtsberechtigt, aber tot. 2014 passierte das siebenmal in München, 2015 viermal, auch 2016 ereigneten sich mehrere tödliche Abbiegeunfälle.

Die Münchner Polizei will sich jetzt neuralgische Punkte genau anschauen. Gut so! Sie setzt dabei auf die Expertise des Fahrradklubs ADFC. Noch besser! Und sie hat die Münchner online befragt, wo sie schon solche brenzlichen Situationen erlebt haben. Hervorragend! Gemeinsam mit der Stadt will sie überlegen, wie die Gefahrenstellen entschärft werden können. Das alles ist sehr durchdacht und wird bestimmt helfen, das Radfahren in München sicherer zu machen.

Doch Umbauten sind kein Allheilmittel, wie das Beispiel Wintrichring zeigt. Die Radfahrer fühlen sich dort sicher. Und tatsächlich wurde an der Einmündung in die Menzinger Straße nicht zuletzt an sie gedacht. Es gibt eine eigene Spur für Rechtsabbieger, die darüber hinweg führenden Radstreifen sind deutlich rot markiert. Und doch ereigneten sich hier allein 2016 vier Abbiegeunfälle.

"Gscheid radeln", heißt die Initiative der Polizei. Der Appell an Auto- und Lkw-Fahrer lautet: Genau hinschauen. Und der an Radler: Lieber mal auf die Vorfahrt verzichten und der Sicherheit Vorfahrt geben. Auch das stimmt natürlich. Aber wenn alle alles richtig machen und trotzdem Menschen im toten Winkel sterben?

Dann ist das offenbar nicht genug. Der ADFC fordert seit geraumer Zeit verpflichtend Abbiege- und Bremsassistenten für alle Lastwagen. Wenn beim Rechtsabbiegen Radfahrer oder Fußgänger übersehen werden, stoppt der Brummi automatisch. Ein kleiner Ruck für die Industrie - ein großer Schritt zu mehr Sicherheit.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2017
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