Süddeutsche Zeitung

Prozess:Nach dem Oktoberfest krankenhausreif geschlagen

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Von Susi Wimmer

Die beiden Amerikaner waren nach Deutschland gekommen, um Land, Leute und vor allem die Wiesn in München kennenzulernen. Nach drei Monaten kennen Gregory und Kevin O. nur eines: das Knastleben in Stadelheim. Die bullig wirkenden Brüder stehen am Mittwoch vor dem Amtsgericht, weil sie auf dem Heimweg vom Oktoberfest zwei Italiener verprügelt haben sollen. Eines der Opfer wurde mit einem gekonnten Judo-Griff Kopf voraus derart zu Boden geschleudert, dass es einen Schädeldach- und Schädelbasisbruch erlitt. "Und warum?", fragt der Geschädigte die Angeklagten während der Verhandlung. Die zucken nur mit den Schultern.

Gäbe es nicht ein Video, das von Kameras eines Uhrengeschäfts an der Schwanthalerstraße gefilmt wurde, das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Marco Peißig hätte es mit der Tatrekonstruktion schwer. Die Brüder, 30 und 31 Jahre alt, machen alkoholbedingte Erinnerungslücken geltend. Eines der Opfer, ein 24-jähriger Spüler, leidet unter einem kompletten Filmriss. Zwischen dem Verlassen der Wiesn und dem Aufwachen im Krankenhaus befindet sich nur ein schwarzes Loch.

Der andere Italiener, ein Barkeeper aus München, der einen Faustschlag abbekam, berichtet von einem Angriff aus heiterem Himmel. Einer der Verteidiger hält ihm vor: "Aber bei der Polizei sagten sie aus, dass ihr Freund mit den Amerikanern gestritten und versucht hatte, einen von ihnen zu schlagen." Er könne sich an kein Gespräch erinnern, sagt der Barkeeper.

Laut Staatsanwaltschaft sollen die Brüder am 25. September gegen 21.50 Uhr an der Schwanthaler-, Ecke Martin-Greif-Straße, zu zweit auf den Tellerwäscher eingeschlagen haben, ehe Gregory O. ihn mit einem Uchi-Mata-Wurf zu Boden katapultierte. Der Freund des Opfers soll nach einem Faustschlag umgefallen sein. Die Amerikaner flüchteten, wurden aber nach Schreien von Zeugen sofort von Bereitschaftspolizisten festgenommen, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Wiesn-Einsatz waren. Schmerzensgeld, das ist den Opfern besonders wichtig, und zwar bald.

Anwalt Peter Henle, der Gregory O. vertritt, steht daraufhin auf und blättert dem damals Schwerverletzten 1000 Euro in bar auf den Zeugentisch. 500 weitere Euro würden folgen. Auch das andere Opfer soll 500 Euro erhalten. Vor allem O. entschuldigt sich wortreich. "Ich bin nicht Tausende Meilen geflogen, um jemanden zu verletzten. Es tut mir leid."

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Quelle:
SZ vom 28.12.2017 / wim
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