Süddeutsche Zeitung

Prozess:30-Jähriger rast unter Drogen auf Polizisten zu - und flüchtet

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Von Andreas Salch

Er brauchte Erfolg. Angeblich stand für Jonas S. ( Name geändert) viel Geld auf dem Spiel. Mit einem Freund habe er eine "Geschäftsidee" unbedingt umsetzen wollen. Doch es lief angeblich nicht so, wie geplant. Jonas S. ist Unternehmensberater. Gepflegt, modische Frisur, chic gekleidet. Der 30-Jährige nahm Haze, eine spezielle Sorte Cannabis. "Es hat mich sehr potent und aktiv gemacht", sagt S. Ein bis zwei Gramm täglich habe er konsumiert. Dazu Kaffee und Red Bull. Jonas S. wurde psychotisch. In diesem Zustand hat der Unternehmensberater am 11. Februar vergangenen Jahres mit einem weißen BMW Z 1 auf der Offenbachstraße fast einen Polizisten übefahren, der ihn kontrollieren wollte.

Er soll mit einer Geschwindigkeit von 60, 70 Kilometern in der Stunde direkt auf Polizeimeister Attila S. zugerast sein. Der 25-Jährige hatte sich in letzter Sekunde mit einem Sprung zur Seite retten können. "Ich hab' die Stoßstange noch am Hosenbein gespürt", berichtet der Beamte am Dienstag vor dem Landgericht München I.

Jonas S. sitzt schräg links von ihm auf der Anklagebank. Er habe nur noch "Fetzen der Erinnerung" in seinem Gedächtnis an das, was zwischen dem 10. und 11. Februar 2016 passierte, versichert er. Obwohl er Attila S. fast übefahren hätte, gab Jonas S. einfach Gas und flüchtete. Der Polizeimeister und seine Kollegin nahmen die Verfolgung auf. "Ich habe das Gaspedal komplett durchgedrückt", sagt Sabrina B., die Kollegin von Attila S., vor Gericht.

Die beiden Streifenbeamten konnten Jonas S. jedoch nicht einholen. Er soll über mehrere rote Ampeln gerast sein. Es sei zu gefährlich gewesen, sagt Sabrina B., dem BMW hinterherzufahren. Jonas S. raste auf den Mittleren Ring. Im Heckenstaller-Tunnel rammte er in das linke Fahrzeugheck eines vor ihm fahrenden Pkw. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Wagen auf die rechte Fahrspur geschoben. Am Steuer saß ein 45-jähriger Lehrer. Er erlitt eine Verstauchung der Halswirbelsäule.

Jonas S. gab wieder Vollgas, raste aus dem Tunnel in Richtung Thalkirchen-Obersendling. "Ich hatte das Gefühl, als wäre ich distanziert von mir", so S. bei seiner Vernehmung. Er sei sich vorgekommen wie in "einem James-Bond-Film, so als ob man eine bestimmte Zeit einhalten muss, sonst explodiert eine Bombe." In der Maria-Einsiedel-Straße fuhr der 30-Jährige in die Tiefgarage einer Wohnanlage. Dabei stieß er mit dem BMW gegen das Zufahrtstor. Danach stellte er den Wagen ab. Einem psychiatrischen Sachverständigen hatte der Unternehmensberater später berichtet, seine Fahrt im Auto sei von "Stimmen gesäumt" gewesen.

Jonas S. verließ München, fuhr nach Köln zu seiner Freundin. Wie er dort hingekommen sei, wisse er nicht. "Wahrscheinlich mit dem Zug. Trampen tue ich nicht." Mitte April wird er in Köln aufgrund eines Haftbefehls festgenommen und kommt in die Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Im August 2016 folgte die einstweilige Unterbringung ins Isar-Amper-Klinikum in Haar. Im November wurde der Unterbringungsbefehl außer Vollzug gesetzt. Seither lebt der 30-Jährige wieder bei seinen Eltern in Baden-Württemberg. Richterin Judith Engel versichert S., dass er heute in "Drucksituationen" kein Cannabis mehr brauche.

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Quelle:
SZ vom 12.07.2017
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