Süddeutsche Zeitung

Prozess:24-Jähriger soll Frau in Asylbewerberunterkunft vergewaltigt haben

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Von Susi Wimmer

Ayana L. ( Name geändert) ist eine junge Frau, äußerst zierlich und klein, die dunklen Haare zu einem Dutt hochgesteckt. Ihre eritreische Sprache Tigrinya erfüllt den Gerichtssaal mit ihrem Klang. Was die 22-Jährige zu erzählen hat, ist kalt und grausam: Als sie gerade vier Wochen schwanger war, soll sie in einer Asylbewerberunterkunft in München von einem jungen Mann aus Äthiopien vergewaltigt worden sein. Der Angeklagte, Kibrom Z., sitzt vor dem Landgericht München I - und schweigt auf Anraten seines Anwalts zu den Vorwürfen.

Vor eineinhalb Jahren floh Ayana L. nach Deutschland, auf abenteuerliche Art und Weise - und soll dann in München von einem Mann aus ihrem eigenen Kulturkreis vergewaltigt worden sein. Bei der Polizei soll der 24-jährige Kibrom Z. jegliche sexuelle Handlungen abgestritten haben.

Um so exakter versucht Richterin Nicole Selzam, die Tat anhand der Aussagen des Opfers zu rekonstruieren. Seit einem Jahr, so erzählt Ayana L., besuche sie eine Sprachschule an der Goethestraße. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof sei sie im Januar von einer Gruppe junger Leute verfolgt, angespuckt und geschlagen worden.

Ein Landsmann, Ibrahim S., sollte ihr helfen und dolmetschen, damit sie Anzeige bei der Polizei erstatten könne. Ayana L. traf sich mit Ibrahim S. in einem Café nahe dem Hauptbahnhof und lernte dort auch Kibrom Z. kennen. Letzterer wartete, bis Ibrahim S. auf der Toilette verschwand und erzählte dem Mädchen dann, sie solle mit ihm kommen, Ibrahim S. könne ihr nicht helfen, aber sein Freund Hassim schon.

In der Asylbewerberunterkunft in Freiham, wo Kibrom Z. lebt, war kein Hassim zu finden. Stattdessen fand sich Ayana L. alleine mit dem Angeklagten in einem Zimmer. Er schloss die Türe ab und näherte sich ihr. "Ich habe ihn angeschrien: ,Warum hilfst Du mir nicht? Hast Du keine Mutter und keine Schwester?'"

Was folgte, hat Staatsanwältin Melanie Rochner als "besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" in ihrer Anklageschrift formuliert. Kibrom Z. warf die zierliche Frau auf das Bett, riss ihr die Hose nach unten. Sie schrie, er stopfte ihr ihren Schal in den Mund. Dann packte er ihren Kopf und drehte ihn brutal zur Seite. Dazu sagte er: "Ich mache tot."

Sie habe nach der Tat aus dem Zimmer laufen können, erzählt die Frau. Irgendwie schaffte sie den Weg zur S-Bahnstation in Freiham, fand in ihrem Sozialkundebuch die Notrufnummer der Polizei und bat einen Passanten, einen Notruf abzusetzen. Kibrom Z. schweigt zu den Vorwürfen. Aus dem Gefängnis schrieb er an einen Freund: "Ich habe einen großen Fehler gemacht." Er habe eine Frau belästigt, aber es sei nichts passiert.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2017
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