Süddeutsche Zeitung

Oktoberfest:Wo's wuselt und wimmelt

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Raucher, Reiter, Taschendiebe: Martin Jonas und Jessica Strixner haben ein großformatiges Bilderbuch über das Oktoberfest herausgebracht - vom Aufbau der Zelte bis zum letzten Abend, wenn die Gäste mit Wunderkerzen Abschied nehmen.

Von Franz Kotteder

Die Wiesn ist natürlich auch ein Familienfest, man vergisst das oft wegen des ganzen Theaters um die Bierzelte, den Preisen für die Mass und die Frage, welches Dirndl eigentlich zu welchem Zelt passt. Martin Jonas und Jessica Strixner haben das aber nicht vergessen, auch wenn Jonas sagt: "Es ist schon ein bisschen komisch, dass man auf solche Ideen kommt, wenn man selber Kinder bekommt. Da fühlt man sich wie ein alternder Zeitungskolumnist, der im Ledersessel hockt und immer nur das erzählt, was er gerade erlebt hat."

Manchmal kommen dabei aber auch sehr hübsche Sachen heraus, so wie bei Martin Jonas. Seine Idee entstand, als der 41-Jährige vor zwei Jahren mit seiner kleinen Tochter eines dieser Wimmelbücher anschaute, und da dachte er sich: "Warum gibt's eigentlich keines über die Wiesn?" Denn wo wuselt's und wimmelt's in München so richtig, wenn nicht auf dem Oktoberfest? Jonas weiß das nur zu gut, schließlich ist er seit der Historischen Wiesn 2010 im Herzkasperlzelt für das Musikprogramm verantwortlich und jeden Tag auf dem Oktoberfest - zumindest in den Jahren, wenn Oide Wiesn ist.

Also recherchierte er ein bisschen herum, stellte fest, dass es tatsächlich noch kein ordentliches Wiesn-Wimmelbuch gab und fragte dann Jessica Strixner, 27, die ihrer Mutter Christa in der Herzkasperlbar zur Hand ging, ob sie sich vorstellen könne, das Buch zu zeichnen. "Ich hab sofort Ja gesagt", sagt Jessica, "ohne zu wissen, auf was ich mich da eingelassen habe. Ich bin ja keine Illustratorin." Eigentlich ist sie gelernte Bildhauerin, "aber zeichnen muss man da ja auch viel".

Und auf "viel zeichnen" lief es dann allerdings auch hinaus. Sieben große Panoramen mussten angelegt werden, vom Aufbau auf der Theresienwiese über den Trachten- und Wirteeinzug, das Anzapfen - sogar den Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erkennt man unschwer, obwohl er nur mit wenigen Strichen gezeichnet ist - bis hin zum letzten Wiesnabend, wenn die Menschen mit Wunderkerzen in den Zelten Abschied feiern. Jedes Bild ist aus einer anderen Perspektive gezeichnet, der Oktoberfestbahnhof Hackerbrücke zum Beispiel von schräg oben. "War gar nicht so einfach zu zeichnen", sagt Strixner, "aber das Bild sollte natürlich etwas Dreidimensionales haben. Zwei Monate bin ich allein daran gesessen." Die einzelnen Menschen mussten anatomisch richtig dargestellt sein, das war ihr Anspruch.

Der ist erfüllt, denn eine ganze Menge Menschen im Buch kann man wiedererkennen, nicht nur die im Herzkasperlzelt, das selbstverständlich ein eigenes Panorama bekommen hat. Da sieht man dann den Wirt Beppi Bachmaier, die Band Kofelgschroa oder Evi Keglmaier, heute solo und in der Hochzeitskapelle tätig, das Damenduo Hasemanns Töchter sowie natürlich die Hauskapelle G. Rag und die Landlergschwister. Das Herzkasperlzelt und das Teufelsrad sind übrigens die einzigen Lokalitäten, die im Buch mit ihren richtigen Namen vorkommen. Groß verrätselt sind die anderen Bezeichnungen allerdings nicht: Was sich hinter dem "Gustl-Bier", dem "Schaufel-Bräu" und dem "Tigerzelt" verbirgt, darauf kann man kommen.

Sonst aber geht's recht realistisch zu in den Bildern. Es gibt Menschen, die Zigarre rauchen oder sich übergeben müssen, und auch Taschendiebe treiben auf den Wimmelbildern ihr Unwesen. "Kinder vertragen die Wirklichkeit", sagt Jonas, und Strixner ergänzt: "Denen kann man eh nix vormachen."

Das Wiesn Wimmelbuch ist im Verlag Allitera erschienen, kostet 15 Euro und ist in jeder Buchhandlung sowie natürlich im Herzkasperlzelt auf der Oiden Wiesn erhältlich.

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Quelle:
SZ vom 25.09.2019
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