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Oktoberfest-Chef Baumgärtner:Herr über das größte Volksfest der Welt

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Der 43-jährige Clemens Baumgärtner ist so etwas wie der oberste Boss der Schausteller, Marktkaufleute und Wirte auf dem Oktoberfest. Mit dem CSU-Mann hatten vor einem Jahr wenige gerechnet.

Von Franz Kotteder

Neulich wurde Clemens Baumgärtner beinahe ein bisschen lyrisch: "Wenn man zum Eingang der Wiesn kommt, dann umwehen einen schon lange vorher der Duft der gebrannten Mandeln, der Geruch des Steckerlfischs, und das Bier schmeckt man auch schon ein bisschen." Der Münchner Referent für Arbeit und Wirtschaft sagte das im Saal des Stadtmuseums. Der Landesverband der bayerischen Marktkaufleute und Schausteller hatte einen neuen Preis gestiftet für "Gelebte bayerische Volksfestkultur", und die Stadt München war natürlich die erste Preisträgerin. Schließlich entscheidet für viele in der Branche der Verlauf des Münchner Oktoberfests, ob sie ein gutes oder ein schlechtes Geschäftsjahr hatten.

Der 43-jährige CSU-Mann ist so etwas wie der oberste Chef der Schausteller, Marktkaufleute und Wirte auf der Wiesn. Denn das 1810 erstmals zur Heirat des bayerischen Königs Ludwig I. mit der Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen abgehaltene Oktoberfest ist seit 1819 auch ganz offiziell eine Veranstaltung der Stadt München. Innerhalb der Stadtverwaltung ist das Referat für Arbeit und Wirtschaft für die Wiesn zuständig, und Clemens Baumgärtner ist vor einem knappen Jahr zum Referenten gewählt worden.

Mit Baumgärtner hatten damals wenige gerechnet. Der Posten des Wirtschaftsreferenten gilt - eben wegen der sehr öffentlichkeitswirksamen Zuständigkeit für das Oktoberfest - als Sprungbrett für höhere Aufgaben. Und der Wirtschaftsanwalt Baumgärtner hatte zuvor keine große Parteikarriere hingelegt, sondern war 22 Jahre lang lediglich Mitglied eines Stadtviertelgremiums gewesen, zuletzt immerhin dessen Vorsitzender. Die Münchner CSU ist aber im Stadtrat nicht unbedingt gut bestückt mit Polittalenten; sie regiert die Stadt zwar mit, in einer Kooperation mit der SPD, hat sich in den vergangenen sechs Jahren aber eher selbst zerlegt: Mehrere Stadträte haben die Fraktion inzwischen verlassen.

Viel Widerstand musste der Wiesn-Chef noch nicht aushalten

Anfangs rätselten die Wiesnwirte und Schausteller noch: Was ist der Neue für einer? Ist er ein Scharfmacher, oder lässt er sich den Schneid abkaufen? Es stellte sich bald heraus: weder noch. Clemens Baumgärtner ist ein Gemütsmensch mit einem gesunden Humor, der sich ungern aus der Ruhe bringen lässt. Schon bei seiner Bewerbungsrede hat er gesagt, "der Zusammenhalt in der Gesellschaft" sei ihm wichtig.

Das gelte auch für den Umgang mit Flüchtlingen: "Wir sollten die Migration nutzen, um Arbeitskräfte zu gewinnen." Auch für die Münchner CSU, die eher großstädtisch auftritt, waren das damals ungewohnte Töne. Was an ihm konservativ ist, beschreibt er so: "Ich bin ein Freund von Kontinuität und Überraschungen eher abgeneigt." Mit anderen Aussagen hielt er sich anfangs zurück. "Ich will mir erst alles genau ansehen, bevor ich entscheide", sagte er. Man müsse mit den Leuten reden, dann aber auch klare Kante zeigen, notfalls gegen alle Widerstände.

Bisher blieb ihm das weitgehend erspart. Die härteste Auseinandersetzung, die er zu bestehen hatte, war eine kleine verbale Reiberei mit dem Chef des Cannstatter Wasen, Silvio Döllinger. Der hatte sich erlaubt, über die unmoderne Wiesn mit ihren "Holzhallen" zu lästern, wo man in Stuttgart doch längst mit LED-Bildschirmen arbeite. Baumgärtner ließ ihn kühl abblitzen. "Mit dem Original" könne Stuttgart halt leider nicht mithalten, das könne er dem Kollegen schon mal zeigen: "Ich lade ihn gerne dazu ein."

Mit dem amtierenden Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der selbst einmal Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef gewesen ist, hat er zumindest eines gemeinsam: "Wir fahren beide ungern viel zu schnelle Fahrgeschäfte." Zu seinen Favoriten auf dem Oktoberfest, meinte er, gehörten dann doch eher Marktstände wie die Bonbonmanufaktur im historischen Teil des Festgeländes: "Die und Zuckerwatte, das ist eher meine Abteilung."

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SZ vom 21.09.2019
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