Süddeutsche Zeitung

Obermenzing:Das Grün verschwindet

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Zwischen Dreilingsweg und Mooswiesenstraße ist ein Quartier mit 1200 Wohnungen, Geschäften, Kindertagesstätten und einer Schule geplant. Die Nachbarn sehen Grünzug und Frischluftschneise in Gefahr und befürchten eine massive Zunahme des Verkehrs

Von Jutta Czeguhn, Obermenzing

Im Nordwesten von Obermenzing ist die Besiedlung dünn, Neulangwied heißt die Gegend auf der Stadtkarte, es gibt dort Äcker, Grünflächen und Krautgärten, Einzelanwesen. Die Stuttgarter Autobahn ist nicht weit, ebenso der riesige neue Wertstoffhof Langwied, das Hauptumspannwerk Menzing und die Bodenbörse. Auch die geschützte Landschaft der Langwieder Haide ist in der Nähe. Doch genau dort wird München in den kommenden Jahren wachsen, die Landeshauptstadt plant auf einem Areal von circa 15 Hektar zwischen Dreilingsweg und Mooswiesenstraße ein neues Quartier mit bis zu 1200 Wohnungen, einer Grundschule, Kindertagesstätten und Einzelhandel. Alarmiert von diesem Vorhaben ist die Interessengemeinschaft Alte Allee/Bergsonstraße, in der sich Bürgerinnen und Bürger engagieren, die südlich des Gebiets leben. Sie beunruhigen vor allem die Ausmaße des neuen Quartiers, das, so sind sie überzeugt, die Verkehrsbelastung auf ihren Straßen deutlich ansteigen lassen wird.

Derzeit sei ein Aufstellungs- und Eckdatenbeschluss für ein Bebauungsplanverfahren in Vorbereitung, bestätigt Ingo Trömer vom Planungsreferat. Er verweist auf das sogenannte Strukturkonzept Mühlangerstraße/Langwied, das vom Stadtrat im Oktober 2007 verabschiedet wurde. Es ging darin hauptsächlich um die mittlerweile erfolgte Ansiedlung der Paulaner- Brauerei sowie umliegender Gewerbegebiete im Dreieck südlich des Autobahnkreuzes A 8/A 99. Jedoch, so Trömer, sei in diesem Konzept schon die Fläche, auf der sich derzeit die Krautgärten befinden, für eine künftige Wohnbebauung vorgesehen. "In diesem Zuge ist auch die Versorgung mit sozialer Infrastruktur geplant. Hierzu hat das Referat für Bildung und Sport im August 2018 mitgeteilt, dass eine dreizügige Grundschule - mit Erweiterungsoption auf vier Züge - entstehen soll." Ein dauerhafter Verbleib des Krautgartens an bisheriger Stelle sei somit nicht möglich. Dies sei den Krautgärtnern aber bereits bei Gründung ihres Vereins bekannt gewesen. Es würden Ersatzflächen bereitgestellt, erklärt der Sprecher des Planungsreferats.

"Die Stadt München will im Eiltempo - noch vor den Kommunalwahlen - die Zustimmung des Bezirksausschusses Pasing-Obermenzing zu diesem Bauvorhaben erhalten", glaubt Helmut Rothballer, der Sprecher der Interessengemeinschaft. Er und seine Leute wollen demnach in der Sitzung des Bezirksausschusses, die für Dienstag, 3. März, 19 Uhr, im Pasinger Rathaus angesetzt ist, ihr Anliegen vorbringen. Im Strukturkonzept von 2007, so Rothballer, sei von einer "städtebaulich maßvollen Erweiterung" der Bebauung die Rede gewesen, im vorgelegten Bebauungsplan seien nun aber auch Flächen des regionalen Grünzuges betroffen. Und von "maßvoll" könne keine Rede sein, bei einer Grundschule, fünf Kindertagesstätten, einem Sondergebiet für Einzelhandel, Dienstleistung und vor allem 1200 Wohnungen für insgesamt etwa 2760 Neubürger. Diese Zahlen hätten er und andere Vertreter der IG aus Gesprächen mit dem Planungsreferat erfahren. Rothballer geht zudem von einer dichten, "im Durchschnitt mindestens fünfgeschossigen Bebauung" aus. Die Interessengemeinschaft fürchtet auch um den Grünzug und die Frischluftschneise. Denn nach den nun vorliegenden Plänen, behauptet Rothballer, werde das Wohngebiet deutlich weiter nach Norden ausgeweitet. "Das bedeutet: Die gesamte übergeordnete Grünbeziehung wird zugebaut". Zudem liege die konzipierte Bebauung im östlichen Teil vollständig, im westlichen Teil etwa zur Hälfte im regionalen Grünzug.

Ein Rätsel ist den Mitgliedern der Interessengemeinschaft, welche Lösung die Stadt für die drohende zusätzliche Verkehrsbelastung parat hat, die mit dem neuen Quartier auf das bestehende Straßennetz zukommen könnte. "Die Verkehrserschließung soll über unsere bereits heute schon überlasteten Wohnstraßen, die Alte Allee und Bergsonstraße östlich, erfolgen", ist sich Rothballer sicher. Der Durchgangsverkehrsanteil auf diesen beiden Trassen liege heute schon bei circa 60 Prozent. "Bei sämtlichen direkten Anwohnern sind die Lärmgrenzwerte der 16. Bundesimmissionsschutz-Verordnung überschritten, etliche Anwohner leben im gesundheitsgefährdenden Lärmbereich von 65/55 Dezibel aufwärts", berichtet Rothballer. Im Juni 2019 gerichtlich verfügte Maßnahmen zur Besserung der nächtlichen Lärmsituation seien bis dato nicht umgesetzt worden. "Und nun drohen im Gegenteil sogar weitere Lärmsteigerungen", befürchtet er.

Ingo Trömer vom Planungsreferat bleibt auf die Frage der Verkehrserschließung im Allgemeinen. Diese werde "mit dem bestehenden Gesamtverkehrskonzept für den Münchner Westen abgestimmt". Unbefriedigend für Helmut Rothballer und die Mitglieder der Interessengemeinschaft. "Es ist nun allerhöchste Zeit", sagt er, "endlich die längst durchkonzipierten Maßnahmen in die Wege zu leiten, die eine Entlastung von Wohngebieten bei uns und anderswo vom Durchgangsverkehrbewirken!". Die geplante Neubebauung im Bereich Dreilingsweg/Mooswiesenstraße müsse hierzu den Anstoß geben.

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Quelle:
SZ vom 02.03.2020
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