Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahlen 2020:"Ich spiegle ein modernes Lebensgefühl wider"

Lesezeit: 3 min

Von Heiner Effern

Die Kandidatin, die frisches Lebensgefühl und Moderne symbolisieren soll, sitzt mitten im Gestern. An der Wand vor ihr hängt Franz Josef Strauß, hinter ihr erstreckt sich der ewige, mit Rauten durchsetzte weiß-blaue CSU-Himmel. Kristina Frank will sich aber von Traditionen wie der Szenerie in der Zentrale der Münchner CSU wenig beeindrucken lassen, das macht sie als nun auch offizielle Bewerberin um das Amt der Oberbürgermeisterin klar: Die Mann-Frau-Frage sehe sie im Wahlkampf nicht als wesentlich an, sagt sie auch an ihre Partei gerichtet, diese Zeiten sollten längst vorbei sein. Wenn man nach der harten CSU-Linie beim Thema Asyl fragt, verdreht sie die Augen. Dafür habe sie das Erfolgsrezept der Grünen drauf, sagt sie bei ihrer Vorstellung: "Ich spiegle ein modernes Lebensgefühl wider."

Dabei ist die Münchner CSU mächtig stolz darauf, dass sie wenigstens im Rathaus keine reine Männerpartei mehr ist. Ihre vier Referentenposten hat sie ausgeglichen besetzt, nun wird auch noch eine liberale Frau die Partei in die Kommunalwahl 2020 führen. "Wir sind die Avantgarde" innerhalb der CSU, sagt Stadt-Chef Ludwig Spaenle. Frank sei die ideale Besetzung, erklärt auch Bezirksvize Josef Schmid, dem sie als OB-Kandidatin nachfolgen wird. "Sie hat das Zeug für eine Oberbürgermeisterin: Sie ist hoch intelligent, voller Power, sympathisch und eine unserer besten Rednerinnen." Am Dienstagabend bestimmten sie die Kreisvorsitzenden der Münchner CSU als Kandidatin, der weitere Weg bis zur endgültigen Nominierung auf einem Parteitag gilt als Formsache.

Die 37 Jahre alte Juristin Frank ist selbstbewusst und routiniert genug, um mit solchen Lobeshymnen ohne Verlegenheit umgehen zu können. Frech wolle sie ihre Kandidatur angehen, sagt sie, mutig, und "natürlich" setze sie voll auf Sieg. Sie zeigt den nötigen Respekt vor der Basis, bedankt sich für die große Unterstützung und freut sich "wie ein Schneekönig, eigentlich müsste ich sagen, wie eine Schneekönigin" auf die Aufgabe. Sie werde alles geben, sagt sie, und natürlich passe sie auch zu den Konservativeren in ihrer Partei und deren Werten. Schließlich habe sie ihren Mann einst beim Firmunterricht kennengelernt.

Allerdings fiel die Wahl eher wegen anderer Argumente auf sie: Frank kann tatsächlich einen Lebenslauf vorweisen, der zum Anspruch der Münchner CSU, eine moderne Großstadtpartei zu sein, passt. Sie wuchs in der Stadt auf, studierte Jura und arbeitete danach als Staatsanwältin und Richterin. Im Jahr 2014 zog sie in den Stadtrat ein, im August 2018 übernahm sie als Referentin das Kommunalreferat. Vor zwei Jahren bekam sie eine Tochter und demonstriert seither, dass sie beruflichen beziehungsweise politischen Stress und Familie managen kann.

Als fast schon fanatischer Wiesn- und FC-Bayern-Fan verkörpert sie auch die nötige Lebensfreude, die nach dem Höhenflug der Grünen nun alle Parteien als Erfolgsgaranten sehen. Als Referentin inszenierte sie sich umgehend als Yoga-Fan, in dem sie auf stadteigenen Dächern vorturnte, um für deren intensivere Nutzung zu werben. Dazu fährt sie, anders als viele Parteifreunde, das ganze Jahr mit dem Rad durch die Stadt, auch zu ihrer eigenen Vorstellung in die Münchner CSU-Zentrale.

Dort sitzt neben ihr auch Manuel Pretzl, der Fraktionschef der CSU, den der Stadtrat am Dienstag auch noch zum Zweiten Bürgermeister wählen soll. Die beiden werden für die Kommunalwahl als Doppelspitze auftreten, so ist der Plan der CSU. Frank beschreibt die Rollenteilung auf ihre selbstbewusste Art. Sie seien nicht nur als Mann und Frau das "Yin und Yang" der Münchner CSU. "Er ist der Konservativere, ich bin die Liberalere. Er ist als Jäger der Sitzsportler, ich bin mehr die Bewegungssportlerin. Er ist der Erfahrene, ich bin die Neue."

Pretzl würde das gerne in Nuancen korrigieren, sagt er, grundsätzlich stimme die Analyse aber. Was sie in jedem Fall gemeinsam haben, ist die Sicht auf die Gegner. Der OB-Wahlkampf werde intensiv, aber ein offenes Rennen unter drei Kandidaten. Nicht nur den Amtsinhaber Dieter Reiter (SPD) hat die CSU auf der Rechnung, sondern auch die Grüne Katrin Habenschaden. Diese träte gerne an, muss sich parteiintern zuvor aber noch durchsetzen.

Frank verweist auf ihr ökologisches Profil

Habenschaden ist bei vielen CSU-lern im Rathaus angesehen, doch inhaltlich wird ihr ein strammer Wind entgegenblasen. "Wir werden die Grünen wesentlich deutlicher stellen als bisher", gibt Fraktionschef Pretzl als Devise für die 16 Monate bis zur Kommunalwahl aus: Während sich die einen überall für mehr Wohnraum einsetzten, zögen die anderen wie der Landtagsabgeordnete Christian Hierneis durch die Stadt und wetterten gegen jeden Neubau.

Frank selbst verweist auf ihr ökologisches Profil, nicht nur als Radfahrerin, sondern auch als Kommunalreferentin. Dort sei sie als Herrin über die städtischen Wälder die "Oberförsterin der Stadt", sagt sie, und kümmere sich wie auch als Chefin der Stadtgüter um nachhaltiges Wirtschaften. Weiter stehe sie auch dem städtischen Abfallbetrieb vor, was ihr Handlungsmöglichkeiten in einem zentralen Feld des Naturschutzes verschaffe: der Mülltrennung und noch viel besser, der Müllvermeidung.

Erst einmal wolle sie sich um diese und alle anderen Aufgaben im Kommunalreferat kümmern, sagt Frank. Auf eineinhalb Jahre Wahlkampf hätten die Münchner keine Lust. Zur heißen Phase werde sie dann eine Vision vorstellen, wie sie sich eine moderne, lebenswerte Großstadt vorstellt. Gut möglich, dass Strauß und weiß-blaues Rautendenken da außen vor bleiben.

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Quelle:
SZ vom 22.11.2018
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