Süddeutsche Zeitung

Theater:Unterwegs im seichten Fahrwasser

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Christian Brey inszeniert Helmut Dietls Filmkomödie "Schtonk!" um die gefälschten Hitler-Tagebücher als Achtzigerjahre-Slapstick-Abend am Nürnberger Schauspielhaus. Ist das lustig?

Von Yvonne Poppek, Nürnberg

Irgendwann sind sie also genauer zu sehen, die nachgeahmten Fälschungen der Hitler-Tagebücher. Fünf Bände mit Siegel, den Buchstaben "F" und "H", dem Aufdruck "streng geheim" recken die Männer in Anzügen erregt in die Höhe, schlagen auch schon einmal Buchseiten auf mit verwitterten Zeichnungen oder handschriftlichen Einträgen. Mehr als 600 Stunden Handarbeit stecken da drin, erfährt man aus dem Programmheft. Die Requisite hat sie angefertigt für Christian Breys Inszenierung der Helmut Dietl-Komödie "Schtonk!" im Nürnberger Schauspielhaus. Viel Aufwand für einen Abend, der versucht, lustig zu sein, und dafür auf plattes Komödienhandwerk zurückgreift.

Dabei ist der Premierentag zunächst einmal glücklich gewählt. Denn genau am 7. Mai vor 39 Jahren wurde der Fälscher Konrad Kujau enttarnt. Er hatte dem Stern -Reporter Gerd Heidemann und seinen Chefs - Ressortleiter, Chefredakteuren und dem Verlagsleiter - die vermeintlichen Hitler-Tagebücher verkauft. Den Verlag kostete das mehr als neun Millionen Euro - einmal abgesehen von einem Gutteil seiner Glaubwürdigkeit. Helmut Dietl nahm die Affäre zur Vorlage für seine Filmkomödie "Schtonk!", die 1992 erschien. Den Fälscher, der bei ihm Fritz Knobel heißt, spielte Uwe Ochsenknecht. Den Reporter mit dem fiktiven Namen Hermann Willié besetzte Dietl mit Götz George.

Zum Abschluss einer Spielzeit in Nürnberg, die sich mit den Kontinuitäten rechten Denkens und rechter Gewalt in Deutschland beschäftigt, soll "Schtonk!" nun der Beitrag von Regisseur Brey sein. Dazu behält er die großen Handlungsstränge bei, ändert nur die Nebenhandlung. Tatsächlich ist bei Dietl viel von dem braunen gesellschaftlichen Sumpf zu sehen, der lange nach Kriegsende noch unverhohlen Hitler huldigt. Das ist so tief in diese Geschichte hineingeschrieben, dass dies auch in Nürnberg übrig bleibt. Selbst wenn hier jeder Hitlergruß, jede rechte Anwandlung lieber lächerlich ausgespielt als in ihrer Gefährlichkeit ernst genommen wird.

Die Bühne von Anette Hachmann ist sehr flexibel. Zentrale Elemente sind einerseits die Fälscher-Werkstätte von Fritz Knobel, andererseits die ehemalige Göring-Yacht Carin II, die Reporter Willié erworben hat, um Kapital daraus zu schlagen. Je eine Hälfte der Drehbühne nehmen sie ein. Da diese nicht sehr groß ist, ist die Carin II eher ein Kahn, die Werkstatt wirkt wie ein rasch aufgestelltes Zelt vom THW, allerdings mit detaillierter Innenausstattung vom Bügelbrett über einen Schreibtisch bis zum Teebeutel. Nur echtes Wasser gibt es da nicht. Wenn der sehr treuherzige Fritz Knobel (Amadeus Köhli) den Tee-Aufguss für sein Fälscherhandwerk macht, dann muss er also so tun. Da geht das Konzept der detaillierten Ausstattung wie an manch anderer Stelle nicht auf, sondern wackelt wie im Komödienstadl.

Übrig bleiben Dietls Dialoge

Darüber ließe sich ja hinwegsehen, wirkten nicht auch viele Nummern auf der Bühne wie daraus entnommen oder reanimiert aus Achtzigerjahre-Slapsticks. Etwa wenn Knobel ein gefälschtes Hitler-Gemälde an den Mann bringen will und dafür minutenlang am Aufbau einer Staffelei scheitert. Oder wenn Verlagsleiter Wieland (Yascha Finn Nolting) mit dem Gesicht in einem Plastik-Kaktus steckt. Oder wenn Willié (Justus Pfankuch) und Knobel sich konspirativ in einer gelben Telefonzelle treffen. Da schlüpfen sie dann nacheinander rein, tun so, als ob sie den anderen nicht bemerken, bis sich einer plötzlich umdreht und beide zusammenschrecken. Auch die Redaktion und Verlagsleitung hat Brey durch alberne Luftkissen-Sofas so demontiert, dass man ihnen nicht einmal die Mitarbeit in einer Werbebeilage zutrauen würde.

Übrig bleiben die absurden Dietl-Dialoge und die noch absurdere Geschichte. Sie bilden ein solides Gerüst, das auch in den rund zwei Stunden im Schauspielhaus nicht kaputt geht. Aber arg derangiert ist es danach schon.

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