Süddeutsche Zeitung

Neuhausen-Nymphenburg:Am liebsten alles auf Anfang

Lesezeit: 3 min

Anna Hanusch, die Grünen-Fraktionschefin im Stadtrat und örtliche BA-Vorsitzende, will einen Architekturwettbewerb zu den Hochhäusern an der Paketposthalle - und stellt sich damit gegen Investor Ralf Büschl

Von Sebastian Krass, Neuhausen-Nymphenburg

In der öffentlichen Diskussion erschien es bisher klar: Die Hochhäuser an der Paketposthalle entstehen - wenn sie denn gebaut werden dürfen - nach den Plänen des Architekturbüros Herzog/de Meuron. Das ist auch der erklärte Wille des Investors Ralf Büschl. Doch für Anna Hanusch, Chefin der größten Stadtratsfraktion Grüne/Rosa Liste und Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Neuhausen-Nymphenburg, ist das alles andere als klar: Sie plädiert dafür, auch Entwürfe anderer Architekturbüros einzuholen. "Ich fände einen Wettbewerb für die Hochhäuser spannend", sagte Hanusch am Donnerstag der SZ.

Damit stellt sich eine der wichtigsten Kommunalpolitikerinnen gegen eines der größten Immobilienunternehmen auf dem Münchner Markt. Ralf Büschl, Beiratsvorsitzender der Büschl Unternehmensgruppe mit Sitz in Grünwald, sagte vor Monaten über die Entwürfe für zwei 155-Meter-Türme neben der denkmalgeschützten Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke: "Ich bin von dieser Planung begeistert. Deshalb kämpfe ich dafür." Im Sommer hatten Herzog/de Meuron eine Überarbeitung vorgestellt, sie wollen die Hochhäuser mit zwei weithin sichtbaren schrägen Außen-Aufzügen verbinden.

Hanusch, die das Projekt im Prinzip befürwortet, hatte am Mittwochabend auf einer Diskussionsveranstaltung im neuen Kulturzentrum Trafo am Rotkreuzplatz eingeräumt, sie sehe es "im Rückblick kritisch", dass der "spannende" Planungsprozess für das 87 000 Quadratmeter große Paketpost-Areal mit einem Masterplan-Verfahren statt einem städtebaulichen Wettbewerb gestartet sei. Büschl hatte nach dem Kauf des Grundstücks das international renommierte und in München für die Fußball-Arena in Fröttmaning und die "Fünf Höfe" bekannte Büro Herzog/de Meuron aus Basel beauftragt.

Deren Plan stieß bei der Stadt auf Wohlwollen und wurde 2019 zur Grundlage eines von der damaligen CSU/SPD-Koalition und den oppositionellen Grünen verabschiedeten Aufstellungsbeschlusses, mit dem das Genehmigungsverfahren startete. Einschränkend hieß es damals, man müsse die Hochhäuser "hinsichtlich ihrer Höhenentwicklung und stadträumlichen Wirkung" prüfen. Dass es für ein Vorhaben dieser Dimension keinen grundlegenden Wettbewerb gab, stieß auf Kritik. Sophie Wolfrum, emeritierte Professorin für Städtebau an der TU München, etwa schrieb: "Hochhäuser ohne ein qualifiziertes Wettbewerbsverfahren sind indiskutabel."

Während der Diskussion im Trafo betonte Hanusch, dass es für die Gestaltung einzelner Gebäude Wettbewerbe geben müsse. Auf Nachfrage erklärte sie am Donnerstag, dass dazu für sie auch die Hochhäuser gehören. Im Aufstellungsbeschluss ist die Rede von Wettbewerben "für einzelne Baufelder". Für Büschl waren die Hochhäuser ausgenommen. Den Auftrag für die prestigeträchtigen Hochhäuser zu bekommen, dürfte für Herzog/de Meuron das Entscheidende an dem Projekt sein. Neben den Türmen sind sechs sechsgeschossige Gebäudeblöcke geplant, insgesamt sollen etwa 1100 Wohnungen, 3000 Arbeitsplätze und diverse weitere Nutzungen entstehen. Die bogenförmige Halle mit ihren 124 Metern Länge, bis zu 27 Metern Höhe und 150 Metern Spannweite soll ein öffentlicher Ort für Kultur und Sport werden.

Ob das Projekt, das aus Sicht des Investors untrennbar mit den Türmen verbunden ist, Wirklichkeit wird, ist offen. Der Planungsprozess ist in einem frühen Stadium, eine Genehmigung in weiter Ferne. Im Herbst startet das von der Stadt in Auftrag gegebene "Bürgergutachten", bei dem 100 zufällig ausgewählte Menschen Ideen und Wünsche für die Nutzung des Paketpost-Areals sammeln. Diese sollen eine wichtige Rolle für den Prozess spielen.

Zudem zeigte der Abend im Trafo, der vom Münchner Forum, der Geschichtswerkstatt Neuhausen und dem Verein für Stadtteilkultur organisiert wurde, dass sich in Teilen der Stadtgesellschaft Widerstand formiert. Der Stadtplaner Dierk Brandt, der als Widerpart zu Hanusch auftrat, nannte drei Hauptkritikpunkte: Die geplante Dichte der Bebauung sprenge jedes Maß. Die Hochhäuser seien wegen des benötigten Betons und Stahls "ökologisch nicht tragbar". Zudem habe die Stadt ihre Planungshoheit aufgegeben und lasse sich vom Investor lenken. "München ist keine Hochhaus-Stadt", sagte Brandt. Zahlreiche weitere emotionale Wortmeldungen gingen in eine ähnliche Richtung.

Hanusch verwies darauf, das Projekt biete die Chance, eine große zentrale Fläche öffentlich zu beleben und viel Wohnraum zu schaffen, 40 Prozent davon als preisregulierte Mietwohnungen. Zudem sei es "ein ökologischer Gedanke, Flächen zu stapeln". Der BA habe die Planung mit nur einer Gegenstimme befürwortet. Besonders betonte Hanusch die Planungshoheit des Stadtrats. "Es sind dem Investor nicht irgendwelche Sachen versprochen worden", sagte sie. "Und wenn er im weiteren Prozess bestimmte Dinge nicht einlöst, dann muss man das Projekt eben beenden."

In einem Punkt dürfte Hanusch den Nerv der Hochhausgegner getroffen haben: mit ihrem Plädoyer für einen neuen Bürgerentscheid zu Hochhäusern von mehr als 100 Metern. 2004 hatte sich eine knappe Mehrheit der Münchnerinnen und Münchner gegen solche Projekte ausgesprochen. Der Entscheid war nur ein Jahr rechtlich bindend. Aber, betonte Hanusch, die Münchner Grünen wollten sich nicht über das Votum von 2004 hinwegsetzen, ohne die Menschen erneut zu befragen.

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SZ vom 17.09.2021
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