Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Die Ehrenamtlichen sind ein Glück für die Gesellschaft

Lesezeit: 2 min

Freiwillige Feuerwehr, ehrenamtliche Helfer: Unsere Kolumnistin aus Uganda ist von der Bereitschaft der Deutschen, anderen freiwillig zu helfen, schwer beeindruckt.

Kolumne von Lillian Ikulumet

Wenn das Land wie zuletzt unter einer Schneedecke verschwindet, ruft das romantische Gefühle hervor. Noch herzerwärmender ist es, wenn man Menschen beobachtet, die kommen, wenn der Schnee zur Belastung wird. Wie sie Gehwege und Einfahrten freiräumen. Klar, jeder schaufelt vor seiner eigenen Tür, doch man sieht auch viele, die den ganzen Tag draußen stehen und fast die halbe Nachbarschaft freischaufeln. Viele von ihnen tragen blaue oder schwarze Jacken mit der Aufschrift "Freiwillige Feuerwehr".

Es ist sicher kein rein bayerisches Phänomen, dass die Menschen vor allem dann zusammenstehen, wenn sie gemeinsam eine schwierige Lage meistern müssen. Aus Afrika kenne ich das von heftigen Regenzeiten, wenn Überschwemmungen ganze Häuser mitrissen, wenn die Existenzen von Menschen den Bach runter gingen. Dann hielten die Leute immer zusammen, boten einander Unterschlupf und eine warme Mahlzeit.

Hier in München und Umgebung war es bis vor kurzem der Schnee - eine Bedrohung, die alle etwas angeht und die Menschen besonders in den Katastrophengebieten zu einer Einheit zusammengeschweißt hat. Das Besondere hier ist allerdings, wie gut die Gesellschaft auf solche Wochen vorbereitet ist. Egal zu welcher Tages- und Nachtzeit, die Männer und Frauen von der Freiwilligen Feuerwehr kommen angedüst, mit Leitern, Schläuchen, Schaufeln und in Uniform - so als gingen sie nicht im Schlafanzug zu Bett, sondern in Schutzkleidung.

Seit ich hier lebe, fallen mir diese Leute auf. Man findet schnell heraus, dass die meisten von ihnen aus freien Stücken draußen in der Kälte herumstehen und sich gegen die Schneemassen stemmen. Welch großartige Sache. Welch wohltuender Teil einer Gesellschaft. Und alles andere als selbstverständlich.

Wo ich herkomme, gab es zwar auch Feuerwehrmänner, allerdings nicht wie hier in jeder noch so kleinen Ortschaft. Und vor allem: praktisch nie freiwillig, sondern berufsmäßig. Man muss das meinen Landsleuten nicht vorwerfen, zumal Brände im sehr feuchten Uganda eher selten sind. Doch in Deutschland ist die Bereitschaft, anderen - die sich in einer Notlage befinden - freiwillig zu helfen, wirklich beeindruckend. Ohne Bezahlung, ohne einen greifbaren Lohn.

Als Neuankömmling erlebt man dies nicht nur bei Feuer oder Schnee. Sondern auch bei der Suche nach einem Sprachkurs, beim beschwerlichen Gang ins Landratsamt, beim noch beschwerlicheren Ausfüllen von Formularen. Oder bei der ultimativen Herausforderung: der Wohnungssuche.

Eine gute Freundin wurde in ihrer Anfangszeit in Deutschland von einer Rentnerin betreut. Vier Monate lang kam die Frau jeden Tag zur selben Zeit zu ihr und klopfte an die Tür. Sie kam, um ihr bei den Hausaufgaben für den Deutschkurs zu helfen. Obwohl es manchmal kompliziert war, einen gemeinsamen Termin zu vereinbaren, stand sie jeden Tag pünktlich vor der Tür.

Dieses Geben, ohne zu nehmen, ist sicher nicht immer nur schön. Sicher ist es oft auch anstrengend. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Mein Eindruck ist, dass die Arbeit der Feuerwehrler und der Menschen des Asylhelferkreises in diesem Teil der Erde oft als selbstverständlich hingenommen wird - politisch und kulturell. Aber auch von jenen, die nie fremde Einfahrten freiräumen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4302094
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.