Süddeutsche Zeitung

Neubelebung der Isar:Freiheit am Fluss

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Aussichtspunkte, Cafés, Kunst und Kultur: Wie viel Urbanität kann sich die Stadt an der innerstädtischen Isar leisten, ohne den Naturraum zu beschädigen? Nach Abschluss der Renaturierung im Münchner Süden soll das Flussufer neu belebt werden. Doch das gefällt nicht allen.

Michael Ruhland

Die Stadt sucht mehr Nähe zu ihrem Fluss. Der Isarplan, die Renaturierung der Isar zwischen Großhesselohe und Deutschem Museum, ist seit diesem Sommer abgeschlossen. Nun macht sich das Planungsreferat Gedanken über den daran anschließenden Flussabschnitt im Zentrum Münchens. Während der Isarplan die Ziele Hochwasserschutz, Ökologie und Freizeitnutzung verfolgte, geht es bei dem Abschnitt zwischen Cornelius- und Maximilianbrücke um die Frage: Wie viel Urbanität kann sich die Stadt an der innerstädtischen Isar vorstellen, ohne den Naturraum zu beschädigen?

Mit den Bürgern will sie im kommenden Jahr zum Beispiel diskutieren, ob es neue Aussichtspunkte am Fluss geben soll, ob Cafés und Restaurants auf den Inseln und Brücken gewünscht sind und ob mehr Kunst und Kultur an der Isar stattfinden dürfen. Schon jetzt ist aber klar, dass es Tabuzonen geben wird: Dazu gehören das Biotop "Kleine Isar" und die Schwindinsel.

Bereits vor einem Jahr hatte Stadtbaurätin Elisabeth Merk zu einem Workshop mit Fachleuten aus der Verwaltung und Vertretern der Rathausfraktionen und der Bezirksausschüsse geladen. In einer 69-seitigen Dokumentation hat das Planungsreferat dokumentiert, was diesen Raum im Herzen Münchens charakterisiert. "Der innerstädtische Isarraum gehört zu den markantesten stadträumlich-landschaftlichen Situationen Münchens", schreibt Merk im Vorwort.

Dass die Dokumentation dem Stadtrat erst Ende November vorgestellt wird, zeigt, wie heikel das Thema ist. Punkt eins: Die Isar ist seit 1964 innerhalb der Stadtgrenzen Landschaftsschutzgebiet. Dies gilt also auch für den vom Verkehr umtosten und von hohen Kaimauern eingefassten Bereich des Flusslaufes, der mit einem natürlichen Gewässer nichts mehr zu tun hat. Dennoch kämpft der Chef der Lokalbaukommission, Cornelius Mager, gegen jedwede kulturelle und kommerzielle Nutzung.

Punkt zwei: Es gibt an dem zentralen Isarabschnitt dreißig denkmalgeschützte Bauten, etwa auch die Kaimauern, die aus der Zeit von 1850 bis 1900 stammen und als bemerkenswerte ingenieurstechnische Bauleistung gelten. So einfach, wie sich die Grünen das in ihrem Antrag aus dem Jahr 2009 vorstellten, nämlich Stadtbalkone an der Kaimauer "eventuell mit Kiosken und Cafés" einzurichten, dürfte das also nicht werden.

Das Gesamtensemble muss bewahrt, aber betont und hervorgehoben werden", sagte Susanne Hutter von Knorring vom Planungsreferat jüngst bei einer Grünen-Veranstaltung zur innerstädtischen Isar. Die Stadtplanerin sprach viel von "Konsens", "Dialog" und "großer Transparenz", mit der die Stadt vorgehen wolle. Schließlich sei "die Isar vielleicht der Identifikationsraum für viele Münchner".

Behutsam wolle man zum Beispiel Sichtbeziehungen wie zum Friedensengel wieder herstellen, "die früher inszeniert worden sind". Im Klartext: Büsche sollen zurechtgestutzt, Bäume ausgelichtet werden. "Man soll die Isar wieder stärker als Ort begreifen", empfahl Hutter von Knorring. Zum Charme des Ruhigen und Stillen dürfe sich auch das Feiern gesellen, "als Intervention in Form von temporären Veranstaltungen".

Bewahren oder verändern - innerhalb der Fraktionen gehen die Meinungen dazu weit auseinander. "Warum können wir nicht ein Floß oder ein Schiff neben dem Deutschen Museum in die Isar setzen, um den Fluss zu erleben?", fragt Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker. Die Stadt dürfe nicht Gefahr laufen, sich vor lauter Vorsicht am Ende gar nichts zu trauen.

Sein Amtskollege bei der CSU, Josef Schmid, verweist darauf, dass seine Fraktion bereits vor langem einen Strand à la Paris Plage vorgeschlagen habe. "Wir haben die Verwaltung um Prüfung gebeten, aber das wird zwischen den Referaten hin- und hergeschoben", sagt Schmid. Er findet, "die Isar darf ruhig Spaß machen, wenn dadurch keine Natur kaputtgeht". Weit konservativer gibt sich dagegen der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Reissl: "Muss man denn immer alle Leute den ganzen Tag bespielen und bespaßen?" Es sei doch eine wunderbare Qualität, sich einfach drei Stunden an die Isar zu legen und seine Ruhe zu haben.

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SZ vom 02.11.2011/afis
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