Süddeutsche Zeitung

Münchner Stadtrat:Nebenjob Wirtschaftsreferent

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Bürgermeister und Wirtschaftsreferent: Der Münchner Stadtrat hat die Doppelfunktion von CSU-Mann Josef Schmid abgesegnet. Bei der Diskussion um die Personalie im Rathaus gehen SPD und Grüne aufeinander los.

Von Dominik Hutter

Wie viel kann ein Bürgermeister noch nebenher erledigen? Wirtschaftsreferent zum Beispiel, findet Josef Schmid (CSU) - wenn Motivation und Kraft ausreichen. "Ich kann alle beruhigen: Ich werde nicht an Überbelastung zugrunde gehen." Diese Sorge hatte im Stadtrat zwar niemand explizit geäußert - ganz wohl war der Opposition aber nicht bei dem Gedanken, dass der CSU-Spitzenmann nun den Posten mit übernimmt, von dem aus schon Dieter Reiter (SPD) gen Stadtspitze gespurtet war.

"Kollege Schmid, Sie überschätzen sich", warnte Linken-Stadträtin Brigitte Wolf. Und Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel erlaubte sich die Frage, "wie viel Leerlauf denn der Referent vorher hatte?" In den Bürgermeisterbüros scheine ja kein Arbeitsmangel zu herrschen - sonst wäre doch wohl die jüngst angekündigte Personalaufstockung nicht nötig gewesen.

Die Freude hält sich in Grenzen

Der Ton verschärft sich oft im Rathaus, wenn es um Personalien geht. Und die vakante Spitzenposition im Wirtschaftsreferat gilt als besonders heikel. Schließlich geht es um das erste "Stadtministerium", das die CSU nach der Kommunalwahl besetzen darf, das erste Referentenamt seit den Zeiten von Kreisverwaltungs-Chef Hans-Peter Uhl. Bürgermeister Schmid hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass der Job nicht ausgeschrieben werden, sondern an einen angeblich bestens qualifizierten Bewerber vergeben werden soll: ihn selbst.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich beim Koalitionspartner SPD die Freude über diese Entscheidung in Grenzen hält. Oberbürgermeister Reiter hat bereits angekündigt, genau hinzusehen, dass die Behörde nicht vernachlässigt wird. Eine "sportliche Herausforderung" sei das, erklärte Reiter im Plenum am Dienstag. Nur: Laut schwarz-rotem Bündnispapier hat die CSU das Vorschlagsrecht fürs Wirtschaftsreferat. Die Sozialdemokraten trugen den Doppel-Schmid denn auch klaglos mit. Grüne, Bürgerliche Mitte, Linke und Rosa Liste stimmten erfolglos dagegen.

SPD und Grüne, die geschiedenen Wunschpartner, nutzten die Chance, um alte Rechnungen zu begleichen. Es sei schon überraschend, dass nun entgegen aller Transparenz-Bekundungen der CSU eine solche Personalie hinter verschlossenen Türen ausgekartelt wurde, ärgerte sich Demirel. Da sei ja unschwer zu erkennen, "was uns die nächsten Jahre erwartet". Was wiederum SPD-Fraktionschef Alexander Reissl auf den Plan rief, der sich gegen Belehrungen der Grünen verwahrte. "Ungeheuerlich" sei das. Schließlich seien die Grünen während der später gescheiterten Dreier-Koalitionsverhandlungen selbst mit am Tisch gesessen, als es um Personalien ging. Hinter verschlossenen Türen sozusagen. "Wo ist denn da der qualitative Unterschied?" Heftiger Applaus bei der CSU, verhaltene Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Schwarz-Rot hält zusammen, lautete die Botschaft. Reissl war deutlich anzumerken, dass er den Grünen nicht hinterhertrauert.

Nicht nur Oktoberfestreferat

Der Zusatzauftrag für Schmid hat allerdings auch in der Opposition Sympathisanten: Für Michael Mattar (FDP), den Fraktionschef des Patchwork-Bündnisses "Freiheitsrechte, Transparenz, Bürgerbeteiligung", zählt eine Verschlankung der Stadtspitze seit Jahren zum Standardrepertoire. Ein "Riesenkabinett, größer als das in Hamburg oder Berlin" leiste sich München, kritisierte Mattar. Da sei eine Personalunion doch ein Einstieg. Offenkundig fühle sich die Stadtspitze eben doch nicht so stark ausgelastet - der FDP-Politiker findet deshalb, dass die Dritte Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) dem Beispiel ihres Kollegen folgen und sich ein weiteres Aufgabengebiet zutrauen sollte.

Schmid hielt schließlich auf Anregung von Tobias Ruff (ÖDP) und Hep Monatzeder (Grüne) eine späte Bewerbungsrede: Den dritten Arbeitsmarkt gelte es anzupacken, die Daseinsvorsorge zu schützen, den Tourismus anzukurbeln und Ökonomie mit Ökologie in Einklang zu bringen. Heftiger Applaus bei der CSU, verhaltener bei der SPD. Wobei eine Frage Monatzeders unbeantwortet blieb: "Was werden Sie denn künftig vernachlässigen?"

Vor einem Eindruck warnten sämtliche Parteien unisono: Dass der Wirtschaftsreferent vor allem Wiesn-Chef ist. Das sei dann doch zu kurz gesprungen, befand Grünen-Politikerin Demirel. "Das Wirtschaftsreferat ist kein Oktoberfestreferat."

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SZ vom 09.07.2014
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