Süddeutsche Zeitung

Münchner Kammerspiele:Mit menschengroßen Maulwürfen ins neue Theaterjahr

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Von Egbert Tholl

Die Pressekonferenz, auf der die Münchner Kammerspiele ihre Saison 2017/18 vorstellen, die dritte von Intendant Matthias Lilienthal, ist eine fröhliche Veranstaltung. Auf dem Weg in den Malersaal begegnen einem menschengroße Maulwürfe, die zuvor den Ort der Veranstaltung verwüstet haben und sich nun aufmachen, um in der Spielhalle beim Gastspiel von Philippe Quesne mitzuwirken. Darauf folgt ein Gespräch mit einigen der in der kommenden Saison tätigen Theatermachern, das allerdings nicht der Herr Intendant moderiert, sondern die Schauspielerin Julia Riedler.

Daraus folgt ein gewisser Anarcho-Charme aus dem Salzburger Land, gipfelnd etwa in der Frage an Uisenma Borchu, ob die glaube, es sei eine gute Idee von ihr, wenn sie Theater mache. Borchu stammt aus der Mongolei, kam mit fünf Jahren nach Magdeburg, wo nach der Wende auf einmal Neonazis vor der Tür standen. Dann studierte sie Film in München, zeigte ihre Filme bei wichtigen Festivals und wurde mit Preisen überhäuft. Nun inszeniert die "Mongolian Woman of the Year" ihr erstes "Stück", in dem sie und auch ihr Vater mitwirken.

Eröffnet wird die Spielzeit am 28. September von David Marton; er inszeniert Jack Kerouacs Roman "On the Road", für ihn "ein Buch für Jungs". Darauf folgt Labiche, "Trüffel Trüffel Trüffel", inszeniert von Felix Rothenhäusler, und eine Art Umfärbung von Anna-Sophie Mahlers "Mittelreich"-Inszenierung: Die ursprüngliche Regieassistentin der Produktion zeigt diese in einer Besetzung bestehend aus schwarzen Schauspielern und Schauspielerinnen. Der eine Hausregisseur, Christopher Rüping, inszeniert Brechts "Trommeln in der Nacht", für ihn ein "saftig-dramatischer Text, alle sind ständig besoffen, und der Mond ist rot". Der andere, Nicolas Stemann, inszeniert "Kant" nach Kant und denkt schon an Dezember 2018: Da soll sein musiktheatrales Jelinek-Triptychon "Ein Licht" nach München kommen, das erst einmal in diesem Sommer bei der Ruhrtriennale uraufgeführt wird.

Stefan Pucher inszeniert Feuchtwangers "Wartesaal"-Roman-Trilogie, also "Erfolg", "Geschwister Oppermann" und "Exil", Amir Reza Koohestani Yasmina Khadras Roman "Die Attentäterin", die beiden lustigen Griechen Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris finden Hellas in München, Toshiki Okada kehrt wieder, She She Pop tun dies auch. Und, eh klar, zu den insgesamt 15 eigentlichen Neuproduktionen kommt eine Fülle von Gastspielen, Koproduktionen, die Zusammenarbeit mit dem "Spielart"-Festival, wo Milo Raus "Die 120 Tage von Sodom", eine Koproduktion von Theater Hora und dem Schauspielhaus Zürich, zu sehen sein wird.

Das Orchester Jakobsplatz wird Stummfilme live begleiten, die Libanesin Krystel Khoury, eine ehemalige Tänzerin und Performerin, leitet das ebenso divergente wie inklusive "Open Border Ensemble", es gibt drei echte neue Ensemble-Mitglieder, alle blutjung und seltsamerweise in Deutschland geboren, es gibt Formate aller Arten und mit Labiche und Brecht ja auch zwei Theatertexte. Konsequent setzt Lilienthal seinen Weg der vielen Wege fort; in der laufenden Saison werden ihm dabei 150 000 Zuschauer gefolgt sein, 20 Prozent davon mit Jugendkarten, und die Auslastung wird prognostizierte 64 Prozent betragen. Noch Fragen? Zumindest gab es keine an Lilienthal und seinen Chefdramaturgen Benjamin von Blomberg.

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Quelle:
SZ vom 05.05.2017
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