Süddeutsche Zeitung

S-Bahn in München:Verladestation für Autozüge soll zweiter Stammstrecke weichen

Lesezeit: 4 min

Von Andreas Schubert

Die Pläne der Deutschen Bahn, den geplanten S-Bahn-Halt am Ostbahnhof auf das Gelände der heutigen Auto-Verladestation zu verlegen, stoßen auf Widerstand. Denn die Firma train4you, die einmal die Woche eine Verbindung per Autoreisezug zwischen München Ost und Hamburg Altona anbietet, will den Abriss des Verladeterminals nicht einfach so hinnehmen. Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der bekanntlich den S-Bahn-Tieftunnel ablehnt, zieht Konsequenzen in Erwägung. Eine Klage schließt Wolfram Liebscher, Vorsitzender der Münchner VCD-Sektion, nicht aus.

Erst im Juli wurden die Pläne der Bahn bekannt, dass sie die zweite S-Bahn-Stammstrecke in weiten Teilen umplanen will. Dazu gehört auch, dass die bisher am Orleansplatz vorgesehene Station an der Friedenstraße gebaut werden soll. Das dortige Autoverladeterminal brauche man nicht mehr, weil die DB den Autoreisezugverkehr im Jahr 2016 eingestellt habe. Das haben Vertreter der Bahn mehrfach betont, ohne auf die nach wie vor bestehende Nutzung durch einen anderen Anbieter hinzuweisen.

Stattdessen pries die Bahn die Vorteile des neuen Standorts. Dort könne sie einfacher bauen, da die Station nicht mehr in rund 40 Metern Tiefe entstehen würde. Man müsse nur noch 16 Meter in die Tiefe graben, die Anwohner und Geschäftsleute am Orleansplatz sowie auch an der Kellerstraße blieben zudem von einer Riesenbaustelle verschont. In etwa zwei Jahren könnte die Genehmigungsplanung abgeschlossen sein und der Abriss der Verladestation beginnen.

Dass es so einfach offenbar nicht ist, zeigt sich, wenn man mal nach Hamburg schaut. Dort will die Bahn den alten Fernbahnhof Altona schließen und stattdessen den zwei Kilometer entfernten Bahnhof Diebsteich ausbauen. Weil am neuen Standort aber keine Verladestation für Autozüge geplant war, hatte der Hamburger VCD gegen die bereits vom Eisenbahnbundesamt erteilte Baugenehmigung geklagt. Mit Erfolg. Der Planfeststellungsbeschluss sehe keinen gleichwertigen und rechtzeitigen Ersatz vor, befand das Hamburgische Oberverwaltungsgericht. Bisher ist noch keine Lösung für das Problem gefunden. Seit August vergangenen Jahres liegt das Projekt deshalb auf Eis.

Ähnlichen Ärger könnte es auch in München geben. Denn train4you beruft sich auf das Allgemeine Eisenbahngesetz und das Eisenbahnregulierungsgesetz, nach dem private Anbieter ein Zugangsrecht zur Infrastruktur haben und deren Betreiber, in diesem Fall wäre das die Bahntochter DB Station und Service, zum Betrieb verpflichtet ist.

Die Verladestation am Ostbahnhof ist laut einer Karte des Online-Portals " autoreisezug-planer.de" nur eine von zweien noch existierenden in Süddeutschland, die andere befindet sich im baden-württembergischen Lörrach, also weit weg von München. Ein gleichwertiger Ersatz müsste aber, folgt man dem Hamburger Urteil und der Auffassung von train4you, in der Nähe sein. Das Eisenbahn-Branchenportal Rail Business schreibt zwar, dass in Manching bei Ingolstadt eine Alternative im Gespräch sei. Die DB will dies aber weder bestätigen noch dementieren. Man befinde sich noch in Abstimmungen, teilt eine Sprecherin mit. "Die Autozugverladung wird in dem Planänderungsverfahren für die Station Ostbahnhof behandelt, dabei gibt es natürlich alternative Standorte wie Manching, wo derzeit noch keine Autozugverladung stattfindet."

Für train4you-Sprecher Christian Oeynhausen kommt ein Standort bei Ingolstadt nicht in Frage. Der sei für die Kunden, die per Autozug nach München reisen und von dort aus etwa in die Berge fahren, nicht attraktiv.

Doch noch ist es zu früh für Klagen. Das geht erst, wenn eine konkrete Planung vorliegt. Und ohne Planung kann auch das Eisenbahnbundesamt (EBA), das für die Genehmigung zuständig ist, den Fall nicht einschätzen. Ganz allgemein lässt eine EBA-Sprecherin wissen: Der Planfeststellungsbeschluss müsse alle Probleme und Konflikte in angemessener Weise regeln, die durch das Vorhaben aufgeworfen oder verschärft werden.

VCD-Mann Liebscher jedenfalls gibt sich schon jetzt kampfbereit. "Wir sind hier keiner anderen Auffassung wie unsere Mitstreiter in Hamburg", schreibt er. "Aber hier wären die Auswirkungen noch deutlich größer." Denn wenn von 2026 oder 2027 an der Brennerbasistunnel in Betrieb sei, werde eine höhere Verladekapazität gebraucht. "Die Autoverladung könnte eine Entlastung der Transitautobahntrassen bringen", so Liebscher. "Doch daran scheint die Bahn nicht zu denken, wenngleich gerade in jüngster Zeit die Überlastung der Autorouten länderübergreifend diskutiert wird."

Man müsse auch sehen, dass hier Infrastruktur, ähnlich wie in Hamburg, auf dem Spiel stehe, bei der die Bahn eine Vorhalteaufgabe zu erfüllen habe - für heutige und künftige private Anbieter von Autozügen. "Wir würden, sollte die Bahn die Terminals tatsächlich abschaffen oder beschränken, Klageschritte ernsthaft erwägen, unser Verbandsklagerecht ermöglicht dies", so Liebscher.

Bis zu einmal die Woche, je nach Saison, fährt das Kölner Unternehmen train4you mit seinem "Urlaubs-Express" von München nach Hamburg Altona. Von dort aus bietet es unter anderem eine beliebte Verbindung nach Verona an. Das Geschäft läuft den eigenen Angaben nach gut. Seit 2017 hat der Urlaubs-Express 4200 Fahrzeuge in München ab- oder aufgeladen und rund 10 000 Passagiere befördert.

Früher war die Nachfrage nach Autoreisezügen deutlich größer. Als Autos noch keine Klimaanlagen hatten und eine längere Autofahrt mit einem 34-PS-Käfer über den Brennerpass nach Italien auch kein Spaß war, nahmen viele Urlauber gerne den Autoreisezug. Sie entspannten sich im Schlafwagen, und am Ziel konnten sie dann mit dem eigenen Wagen weiterreisen. Fast ganz Europa hatte die Bundesbahn seit den Fünfzigerjahren im Angebot. 2016 stellte die Deutsche Bahn AG dann den Betrieb ein, zu unrentabel hieß es damals. Doch Totgesagte leben länger: Anbieter wie train4you, die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) und Bahntouristikexpres (BTE) erkannten die entstandene Marktlücke und bieten seither neue Verbindungen an.

Vor allem Familien nutzten den Autozug, weil sie nicht mit voll beladenem Wagen zu weite Strecken fahren wollten, außerdem Motorradfahrer und Oldtimerfahrer, die etwa in Oberbayern oder in Italien zu Treffen fahren, erklärt Oeynhausen. Und wer kein Auto mitnehmen will, kann ganz einfach den Urlaubs-Express als Nachtzug buchen, mit Schlafwagen. Letztere hat die Deutsche Bahn, wie auch die Autozüge, längst aus dem Programm genommen.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2019
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