Süddeutsche Zeitung

Wohnen im Alter:München droht eine "graue Wohnungsnot"

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Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und zunehmend pflegebedürftig werden, fehlen immer mehr altersgerecht gebaute Wohnungen.

Von Sven Loerzer

Für die Generation der "Babyboomer", die in den nächsten Jahren in Rente geht, fehlt es schon heute an altersgerecht gestalteten Wohnungen. Und immer weniger Senioren werden es sich künftig leisten können, die eigenen vier Wände so umbauen zu lassen, dass sie dort mit einem Rollator oder einem Rollstuhl noch zurechtkommen. Es droht die "graue Wohnungsnot", warnt der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Bundesweit fehlten nach einer Studie, die das Institut im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) erstellt hat, derzeit schon 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen.

Auch wenn München aufgrund des Zuzugs Jüngerer nicht so schnell altert wie so manche strukturschwache ländliche Region, rechnet Günther damit, dass die Ruhestandsbevölkerung in der Landeshauptstadt bis 2050 um gut 58 000 auf 306 700 Personen anwächst. Darunter wären dann 59 000 Pflegbedürftige (2022: 38 000), 14 800 (2022: 8600) müssten der Prognose zufolge stationär dann in einem Pflegeheim betreut werden. Die Zahl der benötigten seniorengerechten Wohnungen in München würde von 42 000 auf 51 000 steigen.

Doch darauf, dass die geburtenstarken Jahrgänge ein höheres Alter erreichen, "sind wir schlecht vorbereitet", betonte Günther bei der Vorstellung der Studie im Rahmen der Messe Bau 2023. Dabei sei die einzig sicher wachsende Altersgruppe die Ruhestandsbevölkerung. Barrierefrei zugänglich sind bundesweit aber bislang nur knapp 17 Prozent der Gebäude, bei mehr als 80 Prozent der Häuser gebe es Schwellen und Stufen. Häufig seien zudem die Bäder nicht ausreichend groß, meist gebe es keinen ebenerdigen Zugang zur Dusche, mithin seien die Voraussetzungen für eine ambulante Pflege in den eigenen vier Wänden schwierig.

Mehr als die Hälfte der Seniorenhaushalte verfüge über weniger als 2000 Euro netto Einkommen im Monat, sowohl Eigentümer als auch Mieter seien dann von für sie kaum tragbaren Modernisierungskosten bedroht. Das könnte dazu führen, dass gerade Haushalte mit niedrigem Einkommen in ein Pflegeheim wechseln müssten, weil die ambulante Pflege zuhause nicht möglich sei. "Dabei ist die Pflege und Betreuung in den eigenen vier Wänden deutlich günstiger als im Pflegeheim", sagte BDB-Hauptgeschäftsführer Michael Hölker. Die Zunahme des Bezugs von Grundsicherung im Alter, wie sie sich gerade auch in München seit Jahren deutlich gezeigt hat, dürfte sich weiter fortsetzen, prognostizierte Günther.

Für Eigentümer selbst genutzter Wohnungen und Häuser seien zum altersgerechten Umbau Zuschussprogramme des Bundes nötig, denn die Hausbank werde älteren Menschen keine Kredite mehr gewähren, meinte Günther. Fördern sollte der Staat mit einem Programm "Wohnen 67plus" aber auch den Umbau von Einfamilienhäusern in zwei Wohnungen, von denen mindestens eine seniorengerecht gestaltet werde.

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